Die 60-jährige Geschichte von Detmerode
Detmerode steht still, und das ist wörtlich zu nehmen. „Nur Gummistiefel können noch in Detmerode helfen“, titelten die Wolfsburger Nachrichten, da es seit Tagen ergiebig geregnet hatte und kaum jemand vor seine Haustür treten mochte. Es mangelte an Straßen und Wegen zwischen den neugebauten Häusern. Pfützen gab es dagegen im Überfluss. Dies war die Realität in Wolfsburgs damals jüngstem Stadtteil, vieles musste sich erst entwickeln.
Axel Bosse widmet sich der Aufgabe, diese frühen Tage von Detmerode zu dokumentieren. Er hat eine beeindruckend Anzahl von Materialien zusammengestellt, darunter alte Zeitungsartikel, Fotos, Postkarten und natürlich die Geschichten von Augenzeugen.
Axel Bosse kennt Detmerode wie seine eigene Westentasche. Er weiß, wo er zu suchen und wen er zu fragen hat, um mehr über die Entstehung und Entwicklung des Stadtteils zu erfahren. Dennoch erfordert es viel Arbeit und Sorgfalt. „Heutzutage werden hunderte Fotos mit dem Handy gemacht, wenn der Bürgermeister zum ersten Spatenstich kommt“, sagt er, „früher war das ganz anders.“
Was ihn antreibt, ist das bevorstehende 60-jährige Jubiläum von Detmerode. Zu diesem Anlass erstellt er eine erhellende und unterhaltsame Dokumentation, die insbesondere diejenigen Jahre beleuchtet, in denen der südwestlich vom Stadtzentrum gelegene Stadtteil sozusagen laufen lernte.
Alles begann mit dem Bau von drei dreistöckigen Wohnhäusern am Kurt-Schumacher-Ring. Sie waren die ersten von 600 Wohnungen, die im Rahmen eines Programms der damaligen VW Siedlungsgesellschaft errichtet wurden. Am 23. November 1963 zogen die ersten Detmeroder in ihr neues Zuhause ein.
Kurz darauf startete zwischen John‑F.-Kennedy-Allee und Braunschweiger Straße der Bau des zweiten Quartiers, das mehr als 1100 Wohnungen umfasste. Darunter waren mit zwölf und 18 Stockwerken zwei markante Hochhäuser, die Stadtgeschichte geschrieben haben: Don Camillo und Peppone.
Die vielen neuen Wohnungen erfüllten eine dringliche Aufgabe. „Die Wohnungsnot war sehr groß“, betont Axel Bosse. Der VW Käfer lief und lief und lief, und Wolfsburg wuchs und wuchs, ja musste wachsen. Aus dem Nichts entstand ein Stadtteil, in dem vieles schnell fertiggestellt wurde, manches aber nicht – was dazu führte, dass die Bewohner zuerst noch nasse Füße bekamen.
Mehr von jenen zu erfahren, die diese Zeit selbst miterlebt haben, bereitet ihm die größte Freude. Ihre lebendigen Erinnerungen bringen den Alltag der Menschen während der Anfänge Detmerodes auf besondere Weise näher. „Zum Beispiel habe ich erfahren, dass die ersten katholischen Gottesdienste noch in einer Garage abgehalten wurden“, sagt Axel Bosse, der seit mehr als vierzig Jahren leidenschaftlicher Detmeroder ist.
Detmerode ist ein Paradebeispiel für die Umsetzung des Gartenstadt-Modells. Nicht nur, dass Wohn- und Arbeitsstätten getrennt sind und Grünflächen für Lebensqualität sorgen. Zur lokalen Selbstversorgung verfügt der Stadtteil auch über Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Einrichtungen und Schulen. „Auch aufgrund dieses Planungsansatzes ist Detmerode besonders.“
Danach gefragt, was er sich für die nächsten 60 Jahre in Detmerode wünscht, antwortet er:
Ich hoffe, dass sich unser Stadtteil seine Form des Zusammenlebens bewahrt und damit auch die Bereitschaft, Konfliktsituationen durch Gespräche zu lösen.
In Detmerode komme man gut miteinander aus. „Meistens sind wir in der Lage, alles harmonisch zu regeln.“
Bis zum 9. September 2023, dem Tag der 60-Jahr-Feier, wird er seine Sammlung stetig erweitern. Geplant ist eine Ausstellung in der Stephanuskirche und auf dem Marktplatz. Wer seinen Beitrag leisten möchte und über alte Fotos und erzählenswerte Geschichten verfügt, darf Axel Bosse gerne kontaktieren. Er ist unter der E‑Mail-Adresse axelbosse@wolfsburg.de erreichbar.
S. Boysen
Beitragsbild: © WMG
06/2023