Bockwindmühle in Kästorf
Mehr als 256.000 Müller leben heutzutage in Deutschland. Mit dem Ursprung ihres Namens beschäftigen sich jedoch nur wenige. Der Beruf des Müllers war über viele Jahrhunderte ein wichtiger Bestandteil jeder Dorfgemeinschaft, so auch im heutigen Stadtteil Kästorf. Während Mühlen heute als beliebte Ausflugsorte oder sogar als Standesamt dienen, war der Alltag eines Müllers in der Vergangenheit oftmals beschwerlich und einsam. In der Dorfgemeinschaft galten sie als unaufrichtig, da ihnen nachgesagt wurde, bei der Verteilung des geschroteten Korns zu betrügen. Der Müllerberuf galt als „unehrbares“ Handwerk, die Müller waren Außenseiter der Gesellschaft und mussten sogar den Henkern bei Hinrichtungen helfen, indem sie die Galgenleitern stellten.
Als der letzte Müller die Wolfsburger Bockwindmühle in Kästorf betrieb, waren diese negativen Assoziationen längst in Vergessenheit geraten. Gustav Schrader war von 1929 bis 1969 in der Kästorfer Mühle tätig, bis die Stadt Wolfsburg das technische Baudenkmal übernahm und restaurierte.
Ursprünglich stand die sogenannte Schrader‘sche Bockwindmühle in Schöppenstedt, wo sie 1861 vom Müller Heinrich Köther abgebaut und an ihrem heutigen Standort in Kästorf wieder aufgestellt wurde. Ihre Bauweise ermöglichte jederzeit eine Ausrichtung des Mühlengehäuses in die jeweilige Windrichtung. Die Windmühle besteht komplett aus Holz, ist 15 Meter hoch und hat 10 Meter lange Flügel. Obwohl die Mechanik der Mühle auch heute noch in gutem Zustand ist, wäre das Holzbauwerk aufgrund der starken Unwucht nicht mehr einsetzbar. Die Mitarbeiter*innen des Stadtmuseums, die für die Vermittlungsarbeit zuständig sind, demonstrieren die Funktionsweise der „ältesten Kraftmaschine der Menschheit“ anhand von Pfeffer- oder Kaffeemühlen. Ihre umweltfreundliche Mechanik bei der Verarbeitung von Produkten macht Windmühlen auch für aktuelle Diskussionen interessant.
Die Kästorfer Bockwindmühle ist die einzige Mühle im Wolfsburger Stadtgebiet, die noch erhalten ist. Die Kästorfer würdigen ihr denkmalgeschütztes Wahrzeichen sogar mit einer Abbildung der Mühlenflügel im Wappen des Wolfsburger Ortsteils.
Aktionstag
Seit 1994 findet immer am Pfingstmontag der „Deutsche Mühlentag“ statt, um die „ältesten Kraftmaschinen der Menschheit“ ins Rampenlicht zu stellen. Hauptveranstalter ist die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e. V. (DGM).
Kontakt: Stadtmuseum Schloss Wolfsburg im M2K, Telefon: 05361–281040 oder E‑Mail: stadtmuseum@stadt.wolfsburg.de
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!
WMG
Fotos: © WMG, Sylwia Kalowski
Ausgabe 11, DEIN WOLFSBURG, Sommer 2020