Zuckerfabrikaufnahme von 1994

Die Fallers­leber Zuckerrübenfabrik

Mitte des 18. Jahrhun­derts war das Zucker­rohr die einzige Quelle für die Zucker­ge­win­nung. Dies änderte sich mit dem deutschen Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, der am 17. November 1747 in einem Vortrag in der Berlin-Branden­bur­gi­schen Akademie der Wissen­schaften publik machte, dass neben dem Zucker­rohr auch Rüben zucker­haltig sind. Damit war der Grund­stein für die deutsche Zucker­rü­ben­in­dus­trie gelegt. 

Im Jahr 1802 errich­tete sein Nachfolger Franz Achard die weltweit erste Zucker­rü­ben­fa­brik. Konkur­renz­fähig gegenüber dem impor­tierten Rohrzu­cker war die Zucker­rübe aber noch lange nicht, weshalb alle weiteren errich­teten Fabriken zunächst schließen mussten – Achards Fabrik selbst brannte 1807 ab.

In den 1830ern konnte die Rübe schließ­lich durch Verbes­se­rung des Zucker­ge­halts indus­triell zur Zucker­ge­win­nung genutzt und verar­beitet werden. So entstanden zahlreiche Fabriken, die von den techni­schen Fortschritten der Indus­tria­li­sie­rung profi­tierten. Kunst­dünger, effizi­ente Maschinen, günstige Verkehrs­an­bin­dungen und leichtere Böden machten Deutsch­land zeitweise zum weltweit bedeu­tendsten Produ­zenten von Rübenzucker.

Da gerade in Norddeutsch­land die Zucker­rübe angebaut und verar­beitet wurde, disku­tierten die Fallers­le­bener über Jahrzehnte, ob sie auch eine Fabrik eröffnen sollten. Über konkrete Vorstel­lungen berieten sich am 23. Februar 1878 Ökono­mierat Carl Lehste und Landschaftsrat Hermann von der Wense. Es waren aber auch regionale Bauern, Grund­be­sitzer und Pächter anwesend. Bis es schließ­lich zur Gründung der „Aktien­zu­cker­fa­brik Fallers­leben“ am 20. März 1879 kam, mussten diese erst zum Kauf von Aktien motiviert werden.

Mit 300.000 Mark Grund­ka­pital erfolgte am 01. Mai 1879 die Grund­stein­le­gung, und schon im Dezember desselben Jahres sollte die erste Zucker­rüben-Kampagne begonnen werden. Mit der Zucker­fa­brik als einem der bedeu­tendsten Unter­nehmen im Raum Fallers­leben konnte nun auch die ganze Region von der indus­tri­ellen Entwick­lung profi­tieren, beispiels­weise durch Elektri­fi­zie­rung, Moder­ni­sie­rungen und mehrere Fusionen. So wurde im Laufe der Zeit aus der „Aktien­zu­cker­fa­brik Fallers­leben“ die „Zucker­fa­brik Fallers­leben-Salzdahlum AG“ und letzt­end­lich die „Fallers­leben-Meiner Zucker AG“. Seit der Umstel­lung auf Weißzu­cker im Jahr 1965 war sie an ihren markanten Silos zu erkennen, die heute jedoch abgerissen sind.

Die Zucker­fa­brik war von 1879 bis 1995 in Betrieb und trug somit erheblich zur wirtschaft­li­chen Bedeutung der Region bei. Dieser Umstand fand anläss­lich ihres 100-jährigen Bestehens viel Anerken­nung. Nachdem sich die Produk­tion im Jahr 1989 ausschließ­lich auf Fallers­leben verlagert hatte, wurden im gleichen Zuge Erwei­te­rungen und Inves­ti­tionen geplant. Zusätz­lich integrierte sich das Unter­nehmen als eine der leistungs­stärksten Zucker­fa­briken im norddeut­schen Raum am 01. April 1990 in den Zucker­ver­bund Nord AG (ZVN).

Umso mehr verwun­derte es die Einwoh­ner­schaft Wolfs­burgs, als am 11. März 1993 in der Zeitung zu lesen war, dass Fallers­le­bens Wahrzei­chen der Indus­tria­li­sie­rung ab 1995 schließen sollte. Als Grund dafür sei die Zucker­fa­brik Klein Wanzleben anzusehen, eine der größten und modernsten Zucker­fa­briken Europas, gegen die die Fallers­leber Fabrik nicht mehr konkur­renz­fähig war.

Nach der letzten Rüben-Kampagne, die im Dezember 1994 endete, mussten sich letztlich 200 Mitar­beiter und 1.800 Zulie­ferer einen neuen Arbeits­platz suchen. Darüber hinaus konnte lange nicht geklärt werden, was mit dem Gelände der Zucker­fa­brik selbst geschehen solle. Ein neuer Indus­trie­standort sei inmitten eines Wohnge­bietes unmöglich.

Heute ist das Gelände im Besitz der Neuland Wohnungs­ge­sell­schaft mbH, die dort ein Wohn- und Gewer­be­ge­biet errichtet und dieses nach Andreas Sigismund Marggraf benannt hat. Die Zucker­rü­ben­an­bauer haben 1995 schließ­lich eine Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft gegründet und liefern Zucker­rüben seitdem in Lastwagen an entfernt gelegene Zucker­fa­briken. Insgesamt sind im Norden nur fünf Zucker­rü­ben­fa­briken verblieben; von der Fallers­leber Fabrik selbst existiert nur noch eine alte Lok.

Luisa Teresa Gedenk

Beitrags­bild: Stadt-Wolfsburg-Zuckerfabrik-Fallersleben-02.12.1994-Sammlung-Klaus-Hacklaender
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