… sagt Doubassin Sanogo, der seit 2018 in Wolfsburg lebt. Er ist einer von vier Menschen aus Burkina Faso und rund 1.500 Menschen aus Afrika, die eine neue Heimat in Wolfsburg gefunden haben.
Die Stadt Wolfsburg habe den Burkiner mit offenen Armen empfangen, erzählt Doubassin Sanogo mir lächelnd, und er denkt mit sichtlichem Vergnügen an seine ersten Besuche in Wolfsburg zurück. Das war 2013. Eine Musikerin aus der Region lud ihn ein, im Gegenzug gab er Musikunterricht. Doubassin ist Voll-Musiker, und das kommt nicht von ungefähr, denn er stammt aus einer sogenannten Griot-Familie. Griots sind hoch angesehene Berufsmusiker und Geschichtenerzähler, die mit ihrem Talent das kulturelle Erbe ihres Landes bewahren, erklärt er stolz. Der 37-jährige Doubassin spielt Balafon sowie das Saiteninstrument Ngoni und trommelt außerdem. Und das ist noch nicht alles – denn er baut die Musikinstrumente in Wolfsburg auch selbst.
Was ist eigentlich ein Balafon?
Das Balafon erinnert Europäer an ein Xylofon; es besteht aus afrikanischen Kürbissen und Holz sowie Leder von Ziegen oder Kühen. Die Ngoni, eine Stegharfe, ist hingegen ein Saiteninstrument,
das – auf die Knie gelehnt – unglaublich harmonische und sphärische Töne hervorbringt. Bei seiner Kostprobe fühle ich mich gleich in eine andere, geheimnisvolle Welt versetzt. Wenn Doubassin Sanogo mit seinen Bands „Yanise“ und „Wapani“ in der Region auftritt ‒ letztens gerade im „Hallenbad“ ‒, trägt er typisch afrikanisch bestickte Hemden, Ketten und Armbänder, was seine kulturelle Verbundenheit mit den afrikanischen Instrumenten noch unterstreicht.
Aber zurück zu seinem Leben in Wolfsburg. Bei seinen Workshops lernte Doubassin 2015 seine jetzige Frau kennen, die sich auch der Trommelkunst verschrieben hat. Auf seine guten Sprachkenntnisse angesprochen, erzählt er lachend u. a. von seiner Schwiegermutter, die ihm die ersten deutschen Wörter in geduldiger Manier beibrachte. Dem wissbegierigen Neu-Wolfsburger genügte dies nicht; er erklärt seinen Ehrgeiz so: „Am Anfang verstehst du nichts! Aber alles wird besser durch Sprache“, und so meldete er sich beim Goethe-Institut in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou und später bei der Volkshochschule an. Auf die Frage hin, was wohl das schwerste bisher erlernte deutsche Wort sei, spricht er grinsend und bedächtig Silbe für Silbe: „Streich-holz-schäch-tel-chen“.
Ich finde Wolfsburg toll
sagt Doubassin Sanogo
Ich frage Doubassin natürlich auch, was er an Wolfsburg schätzt. Da sprudelt es nur so aus ihm heraus. „Ich finde Wolfsburg toll“, schwärmt er. So viele Nationen, die hier respektvoll miteinander leben, das gefalle ihm. Natürlich müsse man sich bemühen, sich zu integrieren. Man müsse erstmal anfangen, etwas zu tun, und dann helfen einem die Leute auch weiter, sei seine Erfahrung. Seine Art, auf die Menschen zuzugehen, sie anzusprechen, freundlich und hilfsbereit zu sein, kommt gut an. So engagiert er sich freiberuflich im Auftrag der Stadt Wolfsburg in Flüchtlingsheimen im Projekt „Kinder- und Familienraum“ und bringt dort Kindern von Asylbewerbern das Trommeln bei. In einer Schule in Vorsfelde hat er schon Trommelunterricht gegeben, und im Freizeitheim West leitet er eine freie Trommelgruppe. Auf meine Frage, was er hier besonders mag, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ich finde es toll, dass alles so super organisiert ist und dass hier alle zur Schule gehen.“ In Burkina Faso koste die Schule nämlich Geld, berichtet Doubassin, und das verhindere oft die Teilhabe an Bildung.
Was vermisst er in Wolfsburg?
Bei so viel Positivem über Wolfsburg will ich trotzdem wissen, ob er etwas vermisse. Ja, da gebe es etwas, überlegt er. Die Gesprächskultur der Burkiner, das Leben auf den Straßen und eine Sache, die sich in Deutschland über die Jahrzehnte leider verändert hat: der Umgang mit alten Menschen. In Burkina Faso werden ältere Menschen überaus geschätzt und bleiben ihr Leben lang in der Familie integriert.
Ich taste mich in Sachen ‚kritische Fragen‘ weiter vor und erkundige mich vorsichtig, ob er denn manchmal ausgegrenzt werde. Da lächelt er nur und verneint. Solchen Situationen gehe er aus dem Weg, das sei seine Art, sich hier zu integrieren. In diesem Zusammenhang erzählt Sanogo eine schöne Geschichte von Ehrlichkeit. Gerade hatte er seine Straßenmusik beendet, sein Balafon schon eingepackt und wollte noch etwas besorgen. Er verließ nur ganz kurz sein mannsgroßes Musikinstrument und als er wiederkam, war das Balafon weg. Er schaute sich hilfesuchend um. Ein Passant hatte den Diebstahl beobachtet. Dieser rief die Polizei. Und tatsächlich: Mit ihrer Hilfe bekam Doubassin sein Instrument wohlbehalten zurück. Solche Erfahrungen festigen das gute Gefühl, angekommen zu sein.
Und wovon lebt der Musiker und Instrumentenbauer? Bisher noch nicht von Auftritten und Unterricht und auch nicht vom Instrumentenbau. Auch diesbezüglich ist der sympathische Burkiner ganz optimistisch: „Das wird noch, das braucht Zeit.“ Während der Coronakrise arbeitete er in einem Supermarkt, und sein nächster Plan ist, seinen Führerschein EU-tauglich zu machen. Dann geht es schon irgendwie weiter, denn: „Wenn du suchst, dann findest du auch“, ist Doubassin Sanogo überzeugt.
Bärbel Mäkeler