Dr. Stephan Bornhardt – Fit in Wolfsburg

Gesund­heit, Fitness und Wohlbe­finden sind sein Metier: Dr. Stephan Bornhardt ist Mannschafts­arzt des VfL Wolfsburg. Im Interview erklärt der 42-Jährige, warum jeder von uns viel jünger sein kann, als er tatsäch­lich ist und wie wichtig Sport und Bewegung für uns sind. Und der Facharzt für Ortho­pädie und Unfall­chir­urgie des Klinikums Wolfsburg verrät, warum es uns eigent­lich ganz guttut, wenn der Fahrstuhl mal nicht funktioniert.

Dr. Stephan Bordfeld vom Klinikum Wolfsburg

Herr Dr. Stephan Bornhardt, es gibt den schönen Satz: Wir sind so jung, wie wir uns fühlen. Stimmt das?

Wenn ein Patient in mein Sprech­zimmer kommt, dann frage ich mich nach dem ersten Blick­kon­takt häufig: Wie alt mag er wohl sein? Es ist faszi­nie­rend, wie sehr man daneben­liegen kann – genauso im Positiven wie auch im Negativen. Bei vielen Menschen gibt es einen großen Unter­schied zwischen dem biogra­fi­schen und dem biolo­gi­schen Alter.

Wie meinen Sie das?

Es gibt Menschen, die sind 80 Jahre alt und bewegen sich wie 60-Jährige, weil sie ihr ganzes Leben lang etwas für ihren Körper getan haben. Und es gibt Menschen, die viel, viel jünger sind, aber keine Treppe hochlaufen können. Was das Alter angeht, kann ich sagen: Was im Pass drinsteht, ist eigent­lich gar nicht so wichtig.

Herr Dr. Stephan Bornhardt, wovon ist unsere körper­liche Leistungs­fä­hig­keit abhängig?

Von unseren Knochen und Gelenken. Ortho­pä­disch gesehen können die einen schon im jungen Alter keinen Tennis­schläger in die Hand nehmen, weil Knie oder Hüfte nicht mehr in Ordnung sind. Die anderen dagegen sind bis in ihr hohes Alter auf dem Tennis­platz zu finden. Genauso kommt es auf das Innere an, auf unsere Organe. Ob Herz oder Lunge: Es gibt Menschen, bei denen die Organe schon deutlich vorge­al­tert sind.

Herr Dr. Stephan Bornhardt, wenn uns schlichtweg die Zeit fehlt, um Sport zu treiben: Wie können wir trotzdem in Bewegung bleiben?

Indem wir rausgehen, an die frische Luft kommen und eine halbe Stunde spazieren gehen. Weniger zu sitzen und mehr zu gehen, bringt nicht nur unseren Kreislauf und Stoff­wechsel in Schwung. In gerader Körper­hal­tung füllen sich die unteren Partien der Lunge stärker mit Luft – das tut uns gut und ist eine wirksame Entzün­dungs­pro­phy­laxe. Wenn man zwei Möglich­keiten hat, zum Ziel zu gelangen, sollte man sich nicht immer für den bequemen Weg entscheiden. Anstatt für ein, zwei Etagen den Aufzug zu nehmen, kann man die Strecke genauso gut über die Treppe bewältigen.

Was raten Sie jenen, die nach langer Pause wieder damit beginnen möchten, so richtig Sport zu treiben?

Das A und 0 ist es, vorsichtig anzufangen und sich dann langsam zu steigern. Dann kommt es darauf an, in welcher Verfas­sung man ist und ob es Vorer­kran­kungen gibt. Wenn die Gelenke Verschleiß zeigen, sind Ballsport­arten wie Basket­ball oder Volley­ball mit den vielen Sprung- und Stop-and-go-Bewegungen nicht das Richtige. Besser sind rhyth­mi­sche Sport­arten wie Nordic Walking, Radfahren und Schwimmen. Wer nach mehreren Jahren ohne Sport einen hohen Berg besteigen oder eine extreme Wanderung machen möchte, dem empfehle ich, vorher eine sport­ärzt­liche Unter­su­chung zu machen.

Running-Apps, Fitness-Tracker & Co.: Wie denken Sie über digitale Helfer im Sport?

Ich finde, dass die im Prinzip eine gute Sache sind. Wer sich vornimmt, jeden Tag 5.000 Schritte zu gehen, behält sein Ziel mit einem Schritt­zähler immer vor Augen. Auch zur Trainings­steue­rung sind digitale Hilfs­mittel gut zu gebrau­chen. Mit einem Pulsmess­gerät kann man kontrol­lieren, dass der Körper weder unter- noch überbe­lastet wird.

Herr Dr. Stephan Bornhardt, wenn Sie an unsere Gesell­schaft denken: Bewegen sich viele Kinder und Jugend­liche zu wenig?

Ja, das ist ein großes Problem. Wer den ganzen Tag auf der Couch liegt, Playsta­tion spielt, Chips isst und Zucker­li­mo­naden trinkt, der gefährdet die Gesund­heit und erhöht das Risiko, dass das Leben keine gute Entwick­lung nimmt. Wichtig ist, dass wir es in den Schulen schaffen, Kinder für den Sport zu begeis­tern. Und dass wir hier nicht nur die Talente fördern, sondern auch die nicht­ta­len­tierten Mädchen und Jungen motivieren, sich zu bewegen.

Wie sieht es mit Ihren eigenen sport­li­chen Aktivi­täten aus?

Ich achte darauf, dass ich regel­mäßig laufen gehe. Gestern war ich zehn Kilometer im Wald unterwegs. Wenn ich morgens vor der Arbeit Sport mache, gibt mir das ein gutes Gefühl, weil ich einen schönen Start in den Tag habe. Sport tut ja auch der Psyche gut: Man kommt mal auf ganz andere Gedanken und hat urplötz­lich Ideen, die einem sonst nicht einge­fallen wären.

Herr Dr. Stephan Bornhardt, einmal angenommen, jemand fühlt sich von diesem Interview inspi­riert, regel­mäßig etwas für Körper und Gesund­heit zu tun. Welche drei Gedanken können Sie ihm mit auf den Weg geben?

Erstens, dass das Alter keine Rolle spielt. Viel wichtiger ist die Motiva­tion, also der Antrieb, der von innen kommt. Zweitens: Er sollte keinen Gedanken daran verschwenden, sich zum Beispiel mit seinen Kollegen zu verglei­chen. Wenn die jeden Tag Sport treiben, ist das eine gute Sache. Doch muss jeder von uns ein eigenes Maß der körper­li­chen Ertüch­ti­gung finden.

Und drittens…?

…sollte er eine Sportart auspro­biert haben, die ihm nicht gefällt – bloß nicht dem Sport sofort wieder den Rücken zukehren. Mit der Zeit findet jeder etwas, dass ihm Spaß macht. Wer sich dreimal die Woche eine halbe Stunde bewegt und auch darüber hinaus auf sich achtet, hat für seine Gesund­heit schon viel erreicht. Ziel muss es sein, dass wir uns mit jedem Jahr, das wir älter werden, in unserer Haut immer noch wohlfühlen.

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Laut einer Studie der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion (WHO), die 2018 veröf­fent­licht wurde, bewegen sich weltweit 1,4 Milli­arden Menschen zu wenig und riskieren langfristig Krank­heiten. Zu wenig Sport und Bewegung sei ein „führender Risiko­faktor“ für Krank­heiten wie Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkran­kungen, warnt die WHO. Außerdem haben körper­liche Aktivi­täten ebenfalls positive Auswir­kungen auf die psychi­sche Gesund­heit. Frauen sind von diesem Problem besonders häufig betroffen. Den Experten zufolge bewegt sich jede dritte Frau zu wenig. Bei den Männern ist es immerhin  nur jeder vierte. Aber, ab wie vielen Minuten Sport in der Woche sind gesund­heit­liche Effekte zu erwarten? Hierfür gibt die WHO deutliche und alters­ab­hän­gige Empfehlungen.

Alters­gruppe der 5–17 Jährigen

Was bedeutet körper­liche Aktivität in dieser Alters­gruppe?
Schul­sport, Kinder­turnen und Bewegung wie z.B. Laufen oder Fahrrad­fahren. Kinder und Jugend­liche lieben es, herum­zu­tollen und zu spielen. Auch das schlägt auf dem Bewegungs­konto positiv zu Buche.

Wie viel Bewegung sollte es sein?
Nach Angabe der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion sollten Kinder und Jugend­liche sich mindes­tens 60 Minuten (zweimal 30 Minuten) am Tag bewegen.

Welche gesund­heit­li­chen Effekte sind zu erwarten?
Die tägliche Bewegung unter­stützt die gesunde Entwick­lung der Musku­latur und der Knochen. Auch der Stoff­wechsel kann effek­tiver arbeiten. Herz- und Lungen­leis­tungen werden ebenfalls verbes­sert. Außerdem leiden aktive Kinder weniger unter Angst- und Depressionssymptomen.

Alters­gruppe der 18–64 Jährigen

Was bedeutet körper­liche Aktivität in dieser Alters­gruppe?
Es sind nicht nur Sport­kurse wie Yoga, Teamsport oder Besuche im Fitness­studio, die auf das Bewegungs­konto einzahlen, sondern auch Freizeit­be­schäf­ti­gungen wie Wandern, Laufen oder Fahrrad­fahren. Erfreu­lich ist, dass auch die häufig ungeliebte Hausar­beit wie Staub­saugen oder Fenster­putzen Punkte auf dem Bewegungs­konto bringen.

Wie viel Bewegung sollte es sein?
Für die „ausrei­chende“ körper­liche Aktivität, laut WHO, sollte ein Erwach­sener pro Woche mindes­tens 150 Minuten moderaten Sport, z.B. Radfahren oder Schwimmen betreiben. Alter­nativ können auch 75 Minuten Sport mit kräftiger Inten­sität wie Joggen oder Teamsport gemacht werden. Für die Verbes­se­rung der Gesund­heit sollte das Pensum jeweils verdop­pelt werden, d.h.:300 Minuten Sport mit moderater Inten­sität oder 150 Minuten inten­sives Training in der Woche. Kraft­trai­ning empfiehlt sich an zwei oder mehr Tagen pro Woche.

Welche gesund­heit­li­chen Effekte sind zu erwarten?
Die Leistung von Herz und Lunge verbes­sert sich. Die Kraft der Muskeln nimmt zu. Außerdem sinkt das Depres­si­ons­ri­siko und das Risiko für nicht-infek­tiöse Krankheiten.

Alters­gruppe über 64 Jahre

Was bedeutet körper­liche Aktivität in dieser Alters­gruppe?
Wandern, Radfahren, Laufen, Teamsport oder Sport im Fitness­studio, aber auch Hausar­beiten wie Staub­saugen und Fenster­putzen zahlen auf das Bewegungs­konto ein.

Wie viel Bewegung sollte es sein?
Auch für gesunde ältere Menschen gelten dieselben Empfeh­lungen wie für die Alters­gruppe 18 bis 64 Jahre: mindes­tens 150 Minuten Sport mit moderater Inten­sität in der Woche oder 75 Minuten Sport mit starker Inten­sität. Menschen mit körper­li­chen Einschrän­kungen sollten sich an mindes­tens drei Tagen in der Woche bewegen, um das Gleich­ge­wicht zu erhalten und Stürzen vorzu­beugen. Liegen weitere gesund­heit­liche Probleme vor, die gegen das Sport­treiben sprechen, sollten ältere Menschen körper­lich so aktiv sein, wie es ihre Fähig­keiten und ihr Zustand erlauben, empfiehlt die WHO.

Welche gesund­heit­li­chen Effekte sind zu erwarten?
Herz, Lunge, Muskeln werden gestärkt, die Knochen bleiben gesund. Außerdem sinkt das Risiko für nicht-infek­tiöse Krank­heiten, Depres­sionen und einem vorzei­tigen geistigen Verfall.

DEIN WOLFSBURG, 2019 

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