Kyudo

Sportlich in die japani­sche Kultur eintauchen

Meditativ, anspruchs­voll, gut für die Gesund­heit und eng mit der japani­schen Kultur verbunden – das alles ist Kyudo, die japani­sche Kunst des Bogen­schie­ßens. Seit über zehn Jahren üben Wolfsburger*innen diese besondere Sportart aus und versuchen, mit viel Spaß am Üben dem perfekten Schuss immer ein Stückchen näher zu kommen. 

Man merkt schnell, dass Kyudo ein beson­derer Sport ist, wenn man beim Training der japani­schen Bogenschützen*innen des VfL Wolfsburg vorbei­schaut: Es herrscht völlige Ruhe, von den anwesenden acht Personen bewegt sich nur ein Mann, der mit etwas Abstand mit Pfeil und Bogen hochkon­zen­triert und sehr bedächtig einen einstu­diert wirkenden Bewegungs­ab­lauf vollzieht. Nach zwei, drei Minuten lässt er plötzlich blitz­schnell einen Pfeil von seinem Bogen los, der gegenüber in der 28 Meter entfernten Schieß­scheibe ziemlich mittig einschlägt. Jubel oder sonst ein Zeichen der Freude kommt aber weder vom Schützen noch von den anderen, die ihm genau zugeschaut haben. Bei weiterhin völliger Stille verbeugt sich der Schütze in Richtung Scheibe, dreht sich um und geht dann zu den anderen, die erst jetzt ein paar Kommen­tare zu seinem Schuss abgeben. „Diese Ruhe, die Bedäch­tig­keit, die Verbeu­gung des Schützen – das zeichnet unsere Sportart aus“, sagt Markus Hanssler, Trainer und Gründer der Kyudo-Abteilung beim VfL. Das seien Bestand­teile einer sogenannten Dojo-Etikette, die dem Mitein­ander beim Training einen Rahmen geben. „Dazu gehört auch viel gegen­sei­tige Rücksicht­nahme, gepflegtes Material und dass man sich wirklich bemüht, besser zu werden“, so Hanssler weiter. Nur damit mache es Spaß, weil man dann in den Zustand höchster Konzen­tra­tion gelangen könne. Und ein Stück weit in eine andere Welt eintaucht.

Eintau­chen in eine andere Welt

Dieses Eintau­chen in eine andere Welt, sagt Hanssler, fängt bereits mit dem Anziehen der spezi­ellen Kyudo-Kleidung an. Ab der Taille abwärts tragen die Schützen*innen einen tradi­tio­nellen japani­schen Hosenrock mit weitge­schnit­tenen Beinen, den Hakama. Oben herum wird eine Art Trainings­anzug getragen, wie man ihn von Kampf­sport­arten wie etwa Judo kennt – Keikogi oder Gi genannt. Auffällig ist zudem, dass die Schützen*innen keine Schuhe tragen, sondern barfuß oder in Socken trainieren. Ein weiterer Unter­schied zum Bogen­schießen, wie man es in der westli­chen Welt kennt, sind die sehr langen Pfeile und der Bogen, Yumi genannt. Der besteht vor allem aus Bambus, ist über zwei Meter groß und asymme­trisch geformt. Der obere Wurfarm ist um einiges länger als der untere. Eine Zielvor­rich­tung gibt es ebenso wenig wie eine Pfeilauflage.

Die Schieß­technik ist anders als bei westli­chen Bögen

Auch dadurch ist die Schieß­technik eine andere als bei westli­chen Bögen. Bei einer von insgesamt acht zeremo­ni­ellen Bewegungs­phasen wird der Pfeil an der Bogen­kante rechts außen auf dem Daumen aufgelegt und die Sehne mit Hilfe eines Schieß­hand­schuhs mit dem anderen Daumen gezogen. Für den Abschuss des Pfeils muss mit beiden Armen und aus der Körper­mitte heraus synchron eine dynami­sche Bewegung ausge­führt werden – anstatt, wie beim westli­chen Bogen­schießen üblich, den Arm, der den Bogen hält, möglichst statisch und ruhig zu halten.

Das Ziel ist der perfekte Schuss

Hanssler hat diese seit dem 16. Jahrhun­dert in Japan entwi­ckelte Kunst des Bogen­schie­ßens vor 17 Jahren beim Studium in Göttingen kennen­ge­lernt. Bei einem einjäh­rigen Aufent­halt in Japan im Rahmen seiner Ausbil­dung zum Agrar­in­ge­nieur hat er sich dann inten­siver mit dem „Weg des Bogens“, was Kyudo übersetzt bedeutet, beschäf­tigt. Und betreibt den Sport bis heute durchaus mit einigem Erfolg. Im vergan­genen Jahr belegte er bei den Landes­meis­ter­schaften den zweiten Platz im Einzel und den ersten im Teamwett­be­werb. Wichtiger sei aber eigent­lich, sagt Hanssler, stetig an seiner Technik zu feilen. „Das Ziel ist der perfekte Schuss, den es aber nicht geben wird. Man kann immer etwas verbes­sern.“ Als Schütze benötige man viel Körper­ko­or­di­na­tion, Balance und Konzen­tra­tion. „Man sollte zudem Spaß am Üben haben und sich mit der japani­schen Kultur ausein­an­der­setzen wollen.“ Dann sei Kyudo ein „toller Ausgleich. Ich finde das immer sehr entspan­nend und befrie­di­gend“. In Zeiten von Burn-out und anderen durch Stress verur­sachte Krank­heiten ist solch ein Sport sicher­lich gut für die Gesund­heit. Zumindest hilft er gegen Rücken­schmerzen – einer der wenigen Aspekte, die Kyudo mit dem westli­chen Bogen­schießen gemeinsam hat.

Tobias Kuske

Japani­sches Bogen­schießen ausprobieren

Inter­es­sierte sind einge­laden, beim Training vorbei­zu­schauen. Die Ausrüs­tung wie Bogen und Pfeil wird gestellt. Weitere Infor­ma­tionen unter www.kyudo-wolfsburg.de oder info@kyudo-wolfsburg.de.

Ausgabe 11, DEIN WOLFSBURG, 2020

Fotos: © WMG, Sylvia Kalowski
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Das könnte dir auch gefallen