Ausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker
Welche Eigenschaften er haben muss, um in seinem Beruf erfolgreich zu sein? Im Prinzip seien das zwei, meint Malte Kramer. „Zum einen handwerkliches Geschick und zum zweiten eine ausgeprägte soziale Ader.“ Im August vergangenen Jahres hat der 31-Jährige seine Ausbildung begonnen – zum Orthopädietechnik-Mechaniker im Sanitätshaus Bode.
Malte Kramers Ausbilder ist das Sanitätshaus Bode in der Innenstadt. Hier fertigen seine Kollegen und er orthopädische Hilfsmittel wie Prothesen, Orthesen und Bandagen und auch Reha-Technik, etwa Rollstühle und Rollatoren. Seine Aufgabe: Menschen mit körperlichen Einschränkungen darin zu unterstützen, dass sie ihren Alltag besser bewältigen können.
Eine Prothese ist ein künstliches Gliedmaß, das ein Bein oder einen Arm ersetzt. Eine Orthese wird eingesetzt, um zum Beispiel Gelenke und den Rücken zu stabilisieren, zu entlasten und ruhigzustellen; dazu gehören Schienen, Korsetts und Halskrausen. All das und viel mehr stellt Malte Kramer her – mit Blick auf den Gesundheitszustand seiner Kunden. „Mein Beruf umfasst einen großen Verantwortungsbereich“, sagt er.
Die Fertigung einer Beinprothese
Die Beinprothese besteht aus vielen verschiedenen Einzelteilen. Ein großer Baustein ist der Schaft, der die Prothese mit dem Körper verbindet und das gesamte Gewicht trägt. Diesen Schaft herzustellen, „gehört zu meinem Aufgabengebiet“, erzählt Malte Kramer. Die Anfertigung beginnt mit dem Gipsabdruck des Stumpfes und endet mit der Anprobe des Schafts aus karbonfaserverstärktem Kunststoff. Dazwischen stehen an seiner Werkbank und in den Maschinenräumen viele Fertigungsschritte und auch Verschönerungsarbeiten, in denen der Auszubildende sein handwerkliches Talent unter Beweis stellt – beim Fräsen, Sägen und Schleifen.
Orthopädietechniker-Meister Tassilo Bode ist sein Chef. Der sieht für die berufliche Karriere seines Auszubildenden gute Zukunftschancen. Zum einen, weil die Frage, wie wir im Alter unsere Mobilität aufrechterhalten können, immer wichtiger wird; und zum anderen, weil neue Materialien und auch Technologien wie das mikroprozessorgeregelte Kniegelenk orthopädischen Hilfsmitteln viele Entwicklungsmöglichkeiten bieten. „Die klassischen Holzprothesen gibt es nur noch selten“, sagt der Geschäftsführer des Sanitätshauses Bode, „eine Prothese ist heute computergesteuerte, hochmoderne Kunststofftechnik.“
Das richtige Gespür für die Situation ist wichtig
In seinem Beruf begegnet Malte Kramer Menschen mit bewegenden Lebensgeschichten. Wer schwer krank ist oder einen Unfall hatte und deswegen eine Amputation hinter sich hat, bedarf besonderer Fürsorge. Um Körperteile zu messen und abzuformen, fährt er in die Klinik ans Krankenbett. „Ich lerne Patienten kennen, die schwere Schicksalsschläge hinter sich haben. Es ist wichtig, das richtige Gespür für die Situation zu haben.“
Auch als Mutmacher ist er gefragt. „Ich kann Menschen neue Hoffnung geben. Eine Prothese gibt ihnen die Möglichkeit, wieder laufen und Fahrrad fahren zu können.“ So konnte er einem jungen Mann helfen, der in seinem Heimatland durch eine Mine beide Beine verloren hatte – jetzt kann er wieder gehen. Eine Aufgabe erfüllen zu dürfen, die für Menschen eine so große Rolle spielt, sei einfach schön, sagt der Vorsfelder. „Ich finde meinen Beruf klasse.“
Auf die Praxis folgt die Theorie
In der Berufsschule in Hamburg steht die Theorie auf dem Lehrplan, darunter Anatomie und Physiologie. Im Blockunterricht lernt Malte Kramer die Bausteine des menschlichen Körpers und die Funktion von Zellen, Gewebe und Organen; er erkennt Krankheitsbilder und Fehlhaltungen; und er eignet sich das Wissen an, um Materialien herstellen zu können, die er für die Fertigung orthopädischer Hilfsmittel benötigt. Auch Mathe und Physik sind wichtig, weil Lasten und Kräfte auf Prothesen & Co. wirken. Malte Kramer gefällt der Unterricht und auch, dass die Berufsschulklasse so klein ist. „Wir sind gerade einmal sieben Leute. Das hat den großen Vorteil, dass sich die Lehrer für jeden Einzelnen viel Zeit nehmen können.“
Damit die Auszubildenden ihren Ausbildungsbetrieb kennenlernen können und umgekehrt, „machen wir mit jedem vor Ausbildungsbeginn ein Praktikum“, sagt Tassilo Bode. Worauf achtet er bei der Auswahl der Bewerber? „Was im Zeugnis steht, finde ich gar nicht so interessant. Wichtiger ist, die Bereitschaft zu erkennen, dass der Auszubildende unbedingt etwas lernen will.“
Bauteile millimetergenau in Form bringen, mit ihnen Prothesen und Rückenstützbandagen ausarbeiten, dafür Bandsäge, Schleifmaschine, Trichterfräse und auch die Nähmaschine gebrauchen: Schon in seinem ersten Ausbildungsjahr hat Malte Kramer jede Menge lernen können. Dazu zählt, dass die Menschen sehr dankbar sind für die Hilfe der Orthopädiemechaniker. Und dass viele auch dann ihre Lebenslust behalten, wenn sie ein Bein verloren haben. Einige, erzählt er, wünschen sich eine Prothese, die auffällt. Sie lassen sie individuell verzieren: „Mit einem Jeanshosen-Muster, dem Ferrari-Logo oder dem VfL-Wappen.“
Stefan Boysen