Besser bewegen
Mobilitätsstationen verknüpfen verschiedene Verkehrsmittel an einem Standort – am Fallersleber Bahnhof soll die erste Station entstehen.
Eine Haltestelle, mehrere unterschiedliche Verkehrsmittel und ergänzende Angebote – das ist, kurz gesagt, das Prinzip der Mobilitätsstation. Im vergangenen Jahr stimmte der Rat der Stadt einem Rahmenkonzept zu, auf dessen Grundlage zunächst drei solcher Stationen im Stadtgebiet errichtet werden. Weitere könnten folgen, wenn die Nutzeranalysen den Bedarf belegen.
„Als sicher gilt eine Umsetzung am Bahnhof in Fallersleben“, sagt Marcel Hilbig, Leiter des Referats Daten, Strategien, Stadtentwicklung bei der Stadt Wolfsburg. Auf der Favoritenliste für weitere potenzielle Standorte stehen u. a. Westhagen, Brandenburger Platz oder Kaufhof. Und in Neubaugebieten wie den Steimker Gärten, den Hellwinkel Terrassen und dem Sonnenkamp sind innovative Mobilitätskonzepte bereits jetzt umgesetzt oder geplant.
„Wir versprechen uns eine Verbesserung der Wegeketten und auch eine Attraktivierung von Räumen in den Stadt- und Ortsteilen“, erläutert Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide und verweist auf die Ziele der Wolfsburger Mobilitätsstrategie „Grüner Faden“. Überall dort, wo der öffentliche Personennahverkehr schon jetzt gut angenommen wird, würden die Einwohner schnell einen Mehrwert spüren, wenn sie von A nach B kommen wollen.
In Städten wie Dresden, Kiel, Osnabrück oder Bremen gehören die Mobilitätsstationen schon zum Stadtbild. Von deren Erfahrungen kann Wolfsburg profitieren. Und zwar aus erster Hand. Denn Oliver Iversen, Leiter des Geschäftsbereichs Straßenbau und Projektkoordination, hat damals in Bremen die ersten Entwurfsplanungen maßgeblich verantwortet: „Insofern freue ich mich, meine Erfahrungen auch hier in Wolfsburg einbringen zu können, damit die einzelnen Verkehrsträger gut miteinander verknüpft werden und insbesondere der Umweltverbund von diesen Maßnahmen profitiert.“
Bis hier in Wolfsburg der erste Pilot steht, gibt es also für die Verwaltung noch einiges an Arbeit. Um eine Wiedererkennbarkeit der Stationen zu gewährleisten, wird derzeit ein einheitliches Design mit Markennamen und Logo entwickelt. Außerdem prüft die Stadt verschiedene Betreibermodelle. Sicher ist: Es braucht einen Generalbetreiber im Sinne eines Kümmerers für die Mobilitätsstationen. Als nächster Schritt ist eine Freiraumplanung nötig, um die Mobilitätsstationen in das Umfeld zu integrieren und die Bau- und Ausführungsplanung durch den Geschäftsbereich Straßenbau und Projektkoordination vorzubereiten.
„Größe und Ausstattung jeder Station orientieren sich an den Gegebenheiten vor Ort. Gemein ist allen ein wiedererkennbares Design“, berichten Noreen Werner und André Nissen aus Hilbigs Team. In Fallersleben plant die Verwaltung eine Station der Größe M. Unter einem Dach könnten Nutzer Fahrradbügel zum Abstellen eigener Räder, Lasten- und Leihräder, eine Fahrradreparaturstation, eine Parkzone für E‑Roller, eine Paketstation, Schließfächer sowie Verkaufsautomaten für regionale Produkte vorfinden. Mit einer Wolfsburger Firma sei man im Austausch, um zusätzlich Carsharing anbieten zu können.
In dem Beteiligungsformat „Zukunftsstadt“ hatten Bürger zwischen 2016 und 2018 selbst die Idee der Mobilitätsstationen skizziert und weiterentwickelt. Dank finanzieller Mittel aus dem Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities: Stadtentwicklung und Digitalisierung“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und der KfW kann diese Vision jetzt Wirklichkeit werden. An die Förderung ist laut Werner und Nissen die Anforderung geknüpft, dass bis 2026 modellhaft neue, innovative Lösungen getestet werden, die auf andere Kommunen übertragbar sind. Für die Station in Fallersleben denkt man etwa über begrünte Sitzflächen und Wartehäuschen, Energieversorgung über Photovoltaik, einen Infobildschirm oder moderne Beleuchtung nach.
Warum brauchen wir Mobilitätsstationen in Wolfsburg?
Wir haben die Mobilitätsstrategie „Grüner Faden“ entwickelt, um die sich verändernden Arbeits‑, Lebens- und Mobilitätsbedürfnisse der Menschen zu berücksichtigen und die Digitalisierung ziel- und bedarfsgerecht zu nutzen. Unser Ziel ist es, den Mix der verschiedenen Verkehrsmittel in Richtung einer stadt‑, umwelt- und sozialverträglichen Mobilität zu verändern. Als ein Baustein helfen die Mobilitätsstationen, die Wegeketten zu verbessern.
Wo brauchen wir diese Stationen?
Das gesamte Busliniennetz wurde analysiert, denn es muss ein Bushalt in unmittelbarer Nähe zur Mobilitätsstation vorhanden sein. Insgesamt 26 mögliche Standorte wurden genauer untersucht. Darunter sind zentrale Haltestellen mit mehr als 150 Einsteigerinnen und Einsteigern pro Tag genauso wie Endhaltestellen in den Ortsteilen. Vier mögliche Standorte – Fallersleben, Westhagen, Brandenburger Platz und Kaufhof – kamen für die drei Piloten in die engere Auswahl. Perspektivisch sollen die Mobilitätsstationen aber im gesamten Stadtgebiet ausgerollt werden.
Gibt es in der Autostadt ein Zielpublikum für die Mobilitätsstationen?
Wenn die Mobilitätsstationen in anderen Städten gut angenommen werden, warum sollte das dann in Wolfsburg anders sein? Ich bin mir sicher, dass auch
einige Wolfsburgerinnen und Wolfsburger häufiger mal das Auto stehen lassen und auf andere Verkehrsmittel umsteigen, wenn Angebot und Komfort stimmen. Ein weiterer Anreiz sind die aktuell hohen Energiekosten, die das Tanken teuer machen.
Stefan Boysen
Titelbild: © Stadt Wolfsburg / mscg
Ausgabe 16, DEIN WOLFSBURG, Herbst/Winter 2022