Nachhaltig reparieren

Dein Weg zum Repair-Café in Wolfsburg!

Oh nein, mein Kasset­ten­deck läuft nicht mehr! 50 Jahre ist es alt, das kann ich nicht einfach gegen ein Neues tauschen. Zum Glück gibt es Hilfe: Im Repair-Café in der Markt­halle unter­stützen Ehren­amt­liche dabei, Haushalts­ge­räte instand zu setzen. Eine Voranmel­dung ist erfor­der­lich, der Service ist kostenlos, nur Ersatz­teile zahlt man selber. Ein Helfer nimmt mit mir das Gerät ausein­ander: Wird die Reparatur gelingen?

Ein Antriebs­riemen hat sich aufgelöst, deshalb drehen die Spulen meines Kasset­ten­decks nicht mehr. Helfer Jens Abraham – „mein Fachge­biet ist alte Audio­technik“ – besorgte mir im Internet einen Ersatz, nachdem er beim letzten Termin den Defekt festge­stellt und mich gebeten hatte, heute wieder­zu­kommen. Das Internet ist inzwi­schen übrigens die wichtigste Ersatz­teil-Quelle für die Repara­teure, da es Händler für Einzel­teile in der Region so gut wie gar nicht mehr gibt. Nun unter­stützt mich Abraham also dabei, die Schrauben meines Kasset­ten­ge­rätes zu lösen.

Es gibt Repara­turen, die einfacher sind als meine: „Zum Beispiel Haushalts­ge­räte – ist vielleicht nur ein Stecker kaputt, so etwas haben wir da.“ Die modernen geclipsten statt geschraubten Geräte machen Abraham wiederum weniger Spaß als so ein handge­fer­tigtes Audio­gerät wie meins. Vom Nachbar­ar­beits­platz blickt Helfer-Kollege Georg Brantowski herüber und pflichtet bei: „Das sind manuell gelötete Bauteile!“ Abraham nickt: „Das ist Siebziger-Jahre-Qualität, einfach sagenhaft, wie sauber alles aufgebaut ist, wartungs­freund­lich und ohne Mikro­com­puter.“ Mit der Taschen­lampe seines Handys leuchtet er die Bauteile meines Tapedecks aus und stellt fest, dass der aufge­löste Riemen ausge­rechnet ganz unten fehlt, da gibt es noch viel abzubauen. Da ihm pro Einsatz-Tag jedoch nur zwei Stunden zur Verfügung stehen, kann es auch mal vorkommen, dass ein Gerät nicht fertig wird und man damit einen Monat später erneut in die Markt­halle kommen muss.

Nun hebt Abraham das Chassis meines Tapedecks ab, die Schrauben ordent­lich auf dem Arbeits­tisch aufgereiht.

„Jedes Gerät ist anders, ich muss mich reinfuchsen“, sagt er und wendet das Gehäuse. Gelegent­lich, so erwähnt er, zieht er zum Reinfuchsen auch mal Google zu Rate. Ein Bauteil wehrt sich noch dagegen, abgenommen zu werden: „Irgendwo muss noch eine Schraube sitzen…“ Brantowski lacht: „Meistens bleiben am Ende ein bis zwei übrig!“

Bei so alten Geräten besteht die Gefahr, dass man beim Ausein­an­der­nehmen etwas kaputt­macht, gibt Abraham zu bedenken: „Die Weich­ma­cher sind aus den Kunst­stoffen raus“, sie könnten leichter zerbre­chen. Als Ersatz­teile sind sie nach so langer Zeit nicht mehr zu bekommen, aber: „Es gibt hier die Möglich­keit, einen 3D-Drucker zu nutzen, da drucken wir die alten Teile neu.“ Was indes noch nicht ganz so einfach ist, wie Repair Café Organi­sator Christian Cordes einschränkt: „Das dauert ein bisschen, aber mit Planung und ein paar Terminen ist es lösbar.“ Regel­mäßig angefragt seien hier etwa die Räder von Körben in Geschirr­spül­ma­schinen.

Cordes gibt mir nebenbei einige Hinter­grund­in­for­ma­tionen zum Repair Café. Er leitet die Einrich­tung Schiller 40, die das Café zusammen mit der Stadt betreibt, unter­stützt von der Wolfsburg-AG. Vor zehn Jahren ging es los, zunächst in der Schil­ler­straße, dann in den E‑Cube am Bahnhof, von dort zog das Repair Café in die Borsig­straße, danach in die E‑Mobi­lity-Station und 2020 endlich in die Markt­halle. Hier ist eine umfas­sende Werkstatt einge­richtet, „hier ist technisch alles da“, freut sich Cordes über den Standort, dessen Nähe zum ZOB und zur Fußgän­ger­zone weitere Vorteile seien.

Um die zwölf ehren­amt­liche Helfer und Helfe­rinnen betei­ligen sich aktuell am Repair Café. Pro Öffnungstag sind ungefähr die Hälfte von ihnen anwesend. „Einige waren zuerst selber Kunden bzw. Kundinnen und haben etwas reparieren lassen“, so Cordes. 

Anfangs gab es Zeitungs­auf­rufe, „wir nehmen immer noch gerne Helfer und Helfe­rinnen auf Ehrenamt“, sagt er. Die Grund­aus­stat­tung des Repair Cafés schaffte die Stadt vor zehn Jahren an, Ersatz­teile zahlen Kunden selbst – wie ich meinen Antriebs­riemen –, Werkzeug bringen viele Helfer zusätz­lich selbst mit, „das ist so ein Handwerker-Ethos“, weiß Cordes, Verbrauchs­mittel „wie WD40, Schrumpf­schlauch oder Lötdraht“ übernimmt ebenfalls die Stadt. Spenden nimmt das Café höchstens „für Kaffee“ entgegen, Cordes betont, dass die Inanspruch­nahme der Leistungen „grund­sätz­lich kostenlos“ ist.

Am Nachbar­platz bearbeitet Brantowski gerade einen Kaffee­voll­au­to­maten, auf dem nächsten Tisch liegt ein zerlegter Saugro­boter. Eine große Vielfalt: „Man kann alles mitbringen, was man unter dem Arm tragen kann“, umreißt es Cordes. Deshalb seien jedoch Voranmel­dungen wichtig: „Wir müssen filtern – können wir das überhaupt?“ Auf eine Wasch­ma­schine beispiels­weise treffe dies eher nicht zu. Alltags­ge­räte seien hier die Klassiker, ergänzt um saisonale Produkte, etwa Lichter­ketten und Sterne zu Weihnachten oder im Frühjahr Garten­ge­räte wie Hecken­schere oder Rasentrimmer.

Dazu kommen auch mal ungewöhn­liche Objekte wie eine Kuckucksuhr oder ein elektri­scher Golf-Caddy, den wir zwei Tische weiter in Bearbei­tung sehen. Liebhaber-Gerät­schaften wie eine 30 Jahre alte Krups-Maschine brächten Kunden wegen der „emotio­nalen Bindung“ ins Café, denen geht es wie mir, die können solche Herzens­ap­pa­rate schlichtweg nicht gegen seelen­lose Neugeräte eintauschen.

Durch Repara­turen von defekten Geräten lässt sich ihre Nutzungs­dauer verlän­gern und dies spart natürlich Ressourcen und schont unsere Umwelt.

C. Cordes

Zwar hat Abraham den Riemen inzwi­schen ausge­tauscht, nur dreht sich das Laufwerk noch nicht. „60 Prozent der Geräte kriegen wir wieder hin“, stellt er in Aussicht, doch Kunde Hans Kühlborn sagt dankbar: „Ich war zweimal hier und alles wurde repariert, das sind mehr als 60 Prozent!“ Jetzt klappt es, der Riemen sitzt, die Räder drehen sich. Eine Funkti­ons­kon­trolle auf Drehmo­ment erbringt Abraham manuell: „Das habe ich im Finger­ge­fühl.“ Alles läuft nun wieder wie früher, ich darf das Gehäuse zusam­men­schrauben. Wir tauschen noch die Handy­num­mern aus, für alle Fälle.

Auch Kühlborn blickt anerken­nend vom Neben­platz herüber: „Das ist eine tolle Einrich­tung hier!“

Danke für die überaus freund­liche Unter­stüt­zung – nächstes Mal bringe ich mein Dampf­bü­gel­eisen mit!

Matthias Bosenick

07/2024

Bildnach­weis: Fotos M. Bosenick

Anschrift:
Repair Café
Porsche­straße 2c
38440 Wolfsburg

Termine: Jeden zweiten Donnerstag im Monat von 17 bis 19 Uhr

Anmeldung ist gewünscht unter:

E‑Mail: repaircafe@stadt.wolfsburg.de oder repaircafe.wolfsburg@gmx.de

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