Alvar Aaltos Bauwerke erzählen Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts
Wolfsburg ist für Fachleute aus dem In- und Ausland seit den 1960er-Jahren ein Fixpunkt auf der Landkarte. Generationen von Architekten und Stadtplanern haben in ihrer Jugend die großen Wettbewerbe verfolgt, die Bauten Alvar Aaltos besucht und sich von seinem besonderen Umgang mit der Natur, dem Licht und den Materialien inspirieren lassen. Und immer größer ist inzwischen die Zahl der Kulturreisenden, die sich mit der Architektur der Moderne auseinandersetzt. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus (1958–1962), die Heilig-Geist-Kirche am Klieversberg (1959–1965) und das Gemeindezentrum Stephanus in Detmerode (1962–1968) sind eine Reise wert – dies unterstreicht nun auch eine neue europäische Kulturroute, die das Gesamtwerk des finnischen Baukünstlers noch stärker ins internationale Bewusstsein rückt.
Bereits seit 1987 zeichnet der Europarat internationale Netzwerke als Kulturrouten aus. Dies begann mit dem Jakobsweg, der ins nordspanische Santiago de Compostela führt. Inzwischen sind es insgesamt 45 thematische Angebote. Sie alle erzählen über Grenzen hinweg von Europas Gedächtnis, Geschichte und Erbe, sollen die gemeinsamen Wurzeln deutlich machen und durch das Reisen auf unterschiedlichen Wegen und Routen zur kulturellen Identität Europas beitragen. Durch Deutschland führen beispielsweise die „Transromanica“, die „Via Habsburg“ oder die „Routen der Reformation“, aber auch die „Europäische Route der Industriekultur“ oder die „Straße des Eisernen Vorhangs“.
Außergewöhnlich ist die Konzentration auf das Lebenswerk eines einzelnen Architekten; mit der Route „Le Corbusier Destinations: Architekturpromenade“ wurde bisher nur einem Zeitgenossen Aaltos diese Aufmerksamkeit geschenkt.
Alvar Aalto (1898–1976) ist neben dem schweizerisch-französischen Le Corbusier und den deutschen Architekten Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius einer der wichtigsten Vertreter der modernen Architektur mit großem Einfluss auf die bauliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Sein umfangreiches
Gesamtwerk umfasst mehr als 200 Bauten aus sechs Jahrzehnten – darunter die drei Projekte in Wolfsburg. In keiner anderen europäischen Stadt außerhalb Finnlands ist Alvar Aaltos Werk in dieser Dichte vertreten. Ein Wohnhaus im Berliner Hansaviertel (1957), ein 21-stöckiges Hochhaus in Bremen (1962) und das Opernhaus in Essen (erbaut nach seinem Tod, 1983 bis 1988) komplettieren das Aalto-Werk in Deutschland.
Die neue „Alvar-Aalto-Route – Architektur und Design des 20. Jahrhunderts“, die im April 2021 vom Europarat zertifiziert wurde, umfasst 59 Bauten des Finnen in 26 Städten und fünf Ländern: Finnland, Dänemark, Estland, Deutschland und Frankreich. Sie reicht von Rovaniemi im nordfinnischen Lappland bis zum mehr als 3.000 Kilometer entfernten Riola di Vergato südlich von Bologna. Das Wolfsburger Forum Architektur ist in diesem europäischen Netzwerk der Alvar-Aalto-Route engagiert und bietet sowohl öffentliche Architekturrundgänge als auch individuelle Gruppenführungen durch die Gebäude an. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus und die Heilig-Geist-Kirche lassen sich ohne Terminvereinbarung besichtigen. Eine internationale Aalto-Week 2022 wird im nächsten Jahr den Bauten noch stärkere Aufmerksamkeit widmen.
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