Mit Pauken und Trompeten
Die Gemeinschaft ist das, was die Musiker*innen des Orchesters der Stadtwerke Wolfsburg als Erstes nennen, wenn sie gefragt werden, was ihnen daran am besten gefällt. Und das eint sprichwörtlich Jung und Alt: Vom ältesten Musiker Slawko Gros (84) bis zum jüngsten Mitglied Céline H. (17) genießen alle 35 Instrumentalisten*innen die familiäre Stimmung. Der Vorsitzende des jüngst zum Verein umgewidmeten Orchesters, Stefan Köpf (66), stimmt in das Loblied ein und berichtet mit den anderen von Reisen ins Ausland, musikalischen Herausforderungen und der Begeisterung fürs Musizieren in einem derart großen Ensemble.
Besonders die älteren Musiker schwelgen in Erinnerungen an die Orchesterfahrten, die der frühere Organisator und Orchester-Mitgründer Herbert Reuschel teilweise mehrmals im Jahr ausrichtete. In Frankreich spielten die Wolfsburger*innen etwa im Flughafen in Marseille. Ein gemeinsames Konzert mit dem Partnerorchester in Marignane gab es außerdem, erinnert sich Köpf: „Die sprachliche Verständigung war schwierig, aber beim Musizieren waren wir alle wieder synchron – und es funktionierte.“ Das französische Lebensgefühl und der gemeinsam genossene Wein am Abend hinterließen besonderen Eindruck. Auch das Hafenkonzert in Bremerhaven blieb Köpf seines besonderen Flairs wegen in lebhafter Erinnerung. Während er noch Österreich, Berlin und Helgoland aufzählt sowie die Sequenz in dem Film „Wolfsburg oder Palermo“ von 1980, in der das Orchester zu sehen ist, winkt Gros lachend ab: „Die Reisen waren alle schön!“ Seit Reuschel jedoch seine Tätigkeiten vor einigen Jahren abgab, fand sich niemand mehr dafür, die Ausflüge zu organisieren – Céline bleibt aber zuversichtlich: „Denn was nicht ist, kann ja noch werden.“
Was die drei natürlich gleichermaßen genießen, ist das Musizieren. Köpf und Gros stießen nahezu gleichzeitig Mitte der Achtziger zu dem Orchester. Köpf spielt Flügelhorn und Trompete, Gros stieg des Alters wegen vor einiger Zeit von Trompete auf Tuba um. „Musik ist mein Leben“, sagt der 84-Jährige, „heute noch“ – deshalb und wegen der Gemeinschaft nimmt er noch an den Proben teil, obwohl er die Auftritte inzwischen nicht mehr bewältigen kann. Céline erlernte ihr Instrument, das Saxofon, vor fünf Jahren in ihrer Schule, spielte in der Schul-Bigband mit und nahm mit einem Schulfreund Musikunterricht. Dieser Freund brachte Céline auch zum Orchester. „Wir sind eine große Familie“, strahlt sie, und freut sich, von „lebenserfahrenen Menschen“ lernen zu können und die hilfsbereite Galanterie der älteren Musiker erleben zu dürfen.
Für Köpf ist das Orchester seit einiger Zeit aber noch mehr: Er übernahm zunächst von Michael Meyer die Aufgaben, die Reuschel jenem überlassen hatte, und hat nun den Vorsitz des zum Verein umgewidmeten Orchesters inne, das einige Busfahrer um Reuschel bereits 1964 gegründet hatten. Der Stadtwerke-Nachfolger LSW tritt nun zwar nicht mehr als Arbeitgeber der Musiker*innen in Erscheinung, wohl aber als Sponsor: „Darüber sind wir froh“, so Köpf.
Aus dem alltäglichen Geschehen der VW-Stadt ist das Stadtwerkeorchester nicht mehr wegzudenken, von Auftritten im Fallersleber Hoffmannsaal, im Schützenhaus Vorsfelde bis zu den Pfingstkonzerten am CongressPark. Das Repertoire umfasst sowohl konzertante Blasmusik als auch Klassik im Big-Band-Sound, ebenso Medleys von Udo Jürgens, Abba, Beach Boys bis Glenn Miller und Michael Jackson: „Es muss gute Musik sein“, betont Céline, „nicht moderne.“ Einsteigen ist übrigens jederzeit möglich, Céline unterstützt da Köpfs Herzenswunsch, den Musiker*innenzuwachs: „Ich kann nur jeden ermutigen, Musik zu machen, egal, wie alt man ist“, sagt sie. „Es macht riesigen Spaß!“
Matthias Bosenick