Phil Grolla in den Startblöcken

Phil Grolla

Seine Leiden­schaft, der Sprint über 100 Meter

Sein Name: Phil Grolla. Seine Leiden­schaft: die Königs­dis­zi­plin der Leicht­ath­letik – der Sprint über 100 Meter. Sein großer Traum: die Teilnahme an den Olympi­schen Spielen in Tokio. Im Interview erzählt der 18-jährige Wolfs­burger von seinem harten Kampf mit den Hunderts­tel­se­kunden und von seinem Ehrgeiz, mit nicht­be­hin­derten Sportlern auf die Strecke zu gehen. Und er erzählt, warum er trotz seines großen Sprint­ta­lents eine Trantüte ist.

Phil Grolla, wissen Sie schon, was Sie im kommenden Jahr im Sommer machen werden? 

Weil dann in Tokio die Paralym­pics sind? Ja, die Teilnahme ist mein großes Ziel. Es ist aber noch offen, ob ich dabei sein werde. Erst einmal muss ich mich für die Para-Leicht­ath­letik-Weltmeis­ter­schaft in Dubai im November quali­fi­zieren. Dafür muss ich in den Wettbe­werben, die in den kommenden Monaten anstehen, die WM-Norm schaffen. Über 100 Meter liegt die bei 11,04 Sekunden.

Was ist Ihre Bestzeit?

Die liegt zurzeit bei 11,36 Sekunden.

Sie müssen sich um 32 Hundertstel verbes­sern. Im Sprint ist das eine Menge…

Ja, das ist wirklich ein ganz schönes Brett! Aber ich bin zuver­sicht­lich, die Entwick­lung stimmt. Auch mein Trainer Werner Morawietz meint, dass wir die Zeit hinbe­kommen. Dafür trainiere ich sechsmal die Woche, jedes Mal zwei- bis zweiein­halb Stunden.

Ist sogar eine 10 vor dem Komma drin für Sie?

Das muss drin sein, spätes­tens 2020 will ich unter 11 Sekunden laufen. Sich immer weiter zu verbes­sern und die Weltspitze anzugreifen, ist mein großer Ansporn. Wichtig ist, dass ich am Start mehr aus mir heraus­hole, da bin ich noch eine ziemliche Trantüte. Über meine Schritt­länge und Beschleu­ni­gung mache ich das wieder wett.

Warum sind Sie guter Dinge, dass Sie sich verbes­sern können?

Beim VfB Fallers­leben, meinem Heimat­klub, habe ich viel gelernt. Seit diesem Jahr starte ich für den VfL Wolfsburg, und meine neue Trainings­gruppe mit Johannes Breiten­stein und Pernilla Kramer ist extrem leistungs­för­dernd. Es ist mein Anspruch, mich mit nicht­be­hin­derten Sportlern zu messen und hier auf natio­naler Ebene vorne mitzulaufen.

Bei den deutschen Leicht­ath­letik-Meister­schaften der Nicht­be­hin­derten dürften Sie an den Start gehen?

In meiner Schadens­klasse wäre das kein Problem. Meine Armpro­these verschafft mir ja keinen Vorteil. Ich benötige sie nur im Start­block, damit ich mich da auf dem Boden aufstützen kann.

Phil Grolla – Müssen Sie für den Sport auf vieles verzichten?

Wenn mir am Freitag die Kumpels schreiben, ob ich Lust hätte, dies oder das zu machen, dann geht das halt häufig nicht. Der Wettkampf am Wochen­ende ist wichtiger. Auch in der Woche bleibt im Prinzip für nichts anderes Zeit als für mein Training und in den vergan­genen Wochen das Lernen fürs Abitur. Für den Leistungs­sport nehme ich den Verzicht gerne in Kauf. Ich bin eigent­lich immer motiviert.

Bei der Para-Leicht­ath­letik-Europa­meis­ter­schaft in Berlin haben Sie mit gerade einmal 17 Jahren zwei Medaillen für Deutsch­land geholt: Gold mit der 100-Meter-Staffel, Bronze im Einzel­wett­be­werb. Welche ist Ihnen mehr wert?

In meinem Alter bei den Erwach­senen zwei inter­na­tio­nale Medaillen zu holen, empfinde ich als einen Riesen­er­folg. Zu sagen, die eine ist mir lieber als die andere, fällt mir schwer. Aber es ist ein schönes Gefühl, mit der Staffel zu starten, erfolg­reich zu sein und diesen Erfolg mit den anderen drei Jungs zu teilen. Bis zuletzt habe ich auch gerne Fußball gespielt. Teamsport ist eine gute Abwechs­lung und etwas ganz anderes, als die Bahn immer nur alleine zu laufen.

Im Berliner Olympia­sta­dion war die EM der Nicht­be­hin­derten hervor­ra­gend besucht, bei den Para-Leicht­ath­leten nicht. Wurmt Sie das geringe Zuschauerinteresse?

Ich glaube, dass sich die Menschen schon für unseren Sport inter­es­sieren. Aber sie können sich nicht so gut mit ihm identi­fi­zieren. Wohl jeder ist schon einmal die 100-Meter-Distanz gelaufen und kann sich so mit Usain Bolt verglei­chen. Aber vielen fällt es schwer, richtig einzu­schätzen, wie gut die Zeit eines Rolli­fah­rers in Wirklich­keit ist.

Sie sind darüber traurig?

Natürlich wäre es schön, wenn mehr Zuschauer kämen. Aber ich habe kein großes Problem damit. Die inter­na­tio­nalen Wettbe­werbe werden stärker wahrge­nommen als noch vor ein paar Jahren. Bei der WM vor zwei Jahren in London war das Stadion fast voll und teilweise sogar ausver­kauft. Von Land zu Land gibt es große Unter­schiede, und auch in Deutsch­land tut sich was.

Haben Sie sich schon Reise­führer für Dubai und Tokio gekauft?

Nein, das ist eher die Sache meiner Eltern, sollten sie denn mitreisen. Na klar sind inter­na­tio­nale Wettkämpfe immer ein Erlebnis – aber ich mache da keine Stadt­be­sich­ti­gung. Die meiste Zeit trainiere ich. Oder ich ruhe mich aus in meinem Hotelzimmer.

Phil Grolla, wir haben noch gar nicht darüber geredet, dass Sie mit einem Arm geboren wurden. Ist das eher ungewöhn­lich für Menschen, die mehr über Sie erfahren möchten?

Ja, das ist so. Auf der anderen Seite gibt es auch viele, die nicht mit mir darüber sprechen möchten. Weil sie sich entweder nicht trauen oder sogar erschre­cken, wenn sie meine Behin­de­rung zum ersten Mal sehen. Dabei freue ich mich eigent­lich immer, wenn ich gefragt werde, was mir passiert sei und wie ich damit umgehen würde. Anstatt zu spüren, wie mir jemand einen komischen Blick zuwirft, ist es viel schöner, offen über meine Behin­de­rung zu reden.

Stefan Boysen

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