Wohl jeder von uns weiß: Gemeinsam fällt uns vieles leichter. Ist ja auch logisch. Wir alle wissen unglaublich viel und verfügen über einen wertvollen Erfahrungsschatz. Wenn wir all das, was wir können, mit unseren Mitmenschen teilen und auf deren Fähigkeiten und Talente bauen können, dann entsteht daraus etwas Großes. Nicht nur, dass wir unsere gemeinsame Sache stärken. Auch wir haben etwas davon. Zusammen etwas zu leisten, macht riesig Spaß, und für andere da sein zu dürfen, bedeutet echtes Glück.
Für unsere Titelgeschichte haben wir Menschen besucht, die in unserer Stadt Gemeinschaft schaffen – mit Ideenreichtum und auch mit Mut. Manchmal sind sie selbst davon überrascht, wie viele sich mit ihnen und ihrem Vorhaben solidarisch zeigen. „Am Anfang haben wir gedacht: Wir sind ganz alleine mit dem, was wir tun wollen“, sagt Tim Fahse, der Ideengeber für die Plantage in Hattorf ist. Das Gegenteil ist der Fall, mit Unterstützung vieler ist die Plantage aufgeblüht.
Auch anderswo in Wolfsburg fällt der feste Wille, Verantwortung zu übernehmen und das Miteinander zu stärken, auf fruchtbaren Boden. Davon und von der Vielfalt unserer Stadt, die Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen gemeinsam aufgebaut haben, erzählen wir auf den kommenden Seiten. Gut, dass wir alle nicht nur sehr viel können, sondern auch unseren inneren Antrieb gemein haben. „Alle Menschen verbindet die Sehnsucht, in ihrem Leben etwas Sinnhaftes zu tun“, sagt Tim Fahse. Viel Spaß beim Lesen!
Teil 1 des Topthemas
Plantage 86
Zeit für ein neues Miteinander
Die Voraussetzungen, um etwas zu verändern und die Dinge zum Guten zu wenden, sind eigentlich recht gut. „Alle Menschen verbindet die Sehnsucht, in ihrem Leben etwas Sinnhaftes zu tun“, sagt Tim Fahse. In Hattorf ist die Plantage 86 der beste Beleg dafür. Auf dem fußballfeldgroßen Erdboden ist etwas Beeindruckendes entstanden, was einst ganz klein anfing – nämlich, so der 42-Jährige, „mit einer kindischen Idee“.
Was einmal mehr zeigt, dass ein bisschen Unbedarftheit ein sehr guter Nährboden sein kann, damit wichtige Ideen aufkeimen und sich entfalten können. Die von Tim Fahse lautet: Unser Verein Raum zum Wachsen stellt den Wolfsburgerinnen und Wolfsburgern einen schönen Ort zur Verfügung, wo alles gedeihen kann – und was das genau ist, bestimmen sie selbst. „Am Anfang haben wir gedacht: Wir sind ganz alleine mit dem, was wir tun wollen“, sagt Tim Fahse. Dann zeigte sich: Von wegen, viele finden den Einfall richtig klasse – und packen gerne an, damit die Plantage aufblüht.
Heute beherbergt sie das Haus der Generationen, wo sich alle Menschen begegnen können. In der Küche wird jeden Freitag zusammen gekocht, aus dem Generationengarten stammen Gemüse und Obst für die Mahlzeiten für mehrere Dutzend Esser. Um das Haus herum wird all das sichtbar, was gemeinschaftlich entstanden ist: der Platz zum Bolzen und der Fitnessparcours mit Outdoor-Sportgeräten, die mächtige Modelleisenbahn und das tolle Tipi, das Bodentrampolin und natürlich der Park für Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene.
Die Plantage, sagt Tim Fahse, „ist ein Kristallisationspunkt für die Ideen und Kompetenzen aller Menschen von null bis 99 Jahren. Sie funktioniert nur deswegen, weil die Leute das einbringen, was sie können. Die Dinge werden nur dann zu Ende gebracht, wenn jemand da ist, der sie zu Ende bringt.“ Dass die Plantage brachliegt, kommt nicht vor. „Es gibt so viele Menschen, die Ressourcen übrighaben.“ So werde „mitgekocht, mitgebaut, mitrenoviert – und Mitverantwortung übernommen“.
Die Plantage ist kein Hattorfer Verein, das Gros der Mitglieder kommt aus anderen Wolfsburger Stadtteilen und dem Umland. Trotz des großen Einzugsgebiets ist das Angebot ein Geheimtipp geblieben. Tim Fahse kann sich gut vorstellen, dass das Haus und das Gelände „irgendwann den ganzen Tag bespielt werden. Wir sind immer offen für Leute, die Lust darauf haben, Veranstaltungen wie Lesung, Ernährungsvortrag oder Trommelkurs auf die Beine zu stellen.“ Dass das generationenübergreifende Miteinander so viele energiegeladene Mitstreiter gefunden hat – darunter auch weitere Vereine und Organisationen, die die Plantage nutzen –, macht ihn glücklich. „Es ist alles so gekommen, wie ich es mir gewünscht habe.“
Was nicht heißt, dass Tim Fahse sich keine Gedanken mehr macht, wie wir unser Zusammenleben abseits der großen Zentren besser gestalten können. „Wie denken wir die Zukunft?“, fragt er. In seinen Augen sollten besser heute als morgen all diejenigen die Köpfe zusammenstecken, die Einfluss auf die Entwicklung der Ortsteile im ländlichen Bereich nehmen – zuallererst die Stadtverwaltung und selbstverständlich diejenigen, die dort wohnen. „Wir sollten jetzt damit beginnen, Strukturen zu schaffen, damit die Menschen ihr Leben lang im Dorf leben können.“
Unter dem Dach des neu gegründeten Vereins Machbarschaften befinden sich diejenigen, die das Dorfleben um neue Ideen bereichern wollen. Unsere Vision, sagt Tim Fahse, „ist ein generationenübergreifendes Wohnprojekt“. Womöglich taugt Hattorf ja als Vorbild für ein neues Miteinander im Dorf – an anderer Stelle funktioniert das ja auch hervorragend.
Stefan Boysen