Urgestein, Legende, Mythos: Wenn es darum geht, Sportlern zur Würdigung ihrer Leistung einen Titel zu verleihen, sind Fans sehr kreativ. Auf Sebastian Furchner, das lässt sich guten Gewissens sagen, treffen all diese Ovationen zu. Weswegen unser Magazin den Eishockeycrack gebeten hat, uns ein paar Einblicke in sein Privatleben zu gewähren – in Form von Selfies, die er uns bitte schicken möge. Ist doch eine schöne Abwechslung für einen, der von Fotografen für Mannschaftsfotos oder in Action auf dem Eis Tausende Male in Szene gesetzt worden ist. Und noch nie die Chance bekommen hat, selbst geschossene Fotos von sich zu veröffentlichen. Heute ist es soweit.
Profisportler führen ein nomadenartiges Leben. Für zwei, drei Jahre werden Verträge geschlossen. Und dann geht’s weiter – in die nächste Stadt, zum nächsten Klub. Sebastian Furchner ist deswegen ein Mensch, wie man ihn nicht alle Tage trifft. Weil er im Jahr 2008 von den Kölner Haien zu den Grizzly Adams Wolfsburg wechselte und es seitdem geschafft hat, seine Zelte an ein und demselben Ort aufzuschlagen. „Nach zehn Jahren bin ich immer noch da“, sagt er lachend.
Alles tipptopp hier: Das ging Sebastian Furchner durch den Kopf, als er sich seinerzeit zum ersten Mal so richtig in Wolfsburg umschaute. Na klar sei Köln eine tolle Stadt, die bei jungen Leuten keine Wünsche offen lässt, meint er. Für seine Familie jedoch gebe es keinen besseren Ort als Wolfsburg. „Die Stadt passt einfach.“ Was ihm zuerst ins Auge fiel? „Wie super gepflegt hier alles ist. Und dass es mit dem Allersee eine ganz besonders tolle Ecke gibt.“
In Heiligendorf hat er sich gemeinsam mit seiner Frau Andrea und den beiden Töchtern Emma und Lena ein Haus gebaut. Hier im Süden Wolfsburgs, findet er, geht’s schön beschaulich zu. „Die Eier können wir uns direkt vom Biobauernhof holen.“ Seine Töchter sind so sportbegeistert wie er, sie spielen Feldhockey, Tennis und turnen. Mit seiner Frau geht er gerne Sushi in der Innenstadt essen. Wolfsburg ist längst zu seinem Zuhause geworden. „Wir alle haben viele Freunde gefunden, die über mein sportliches Umfeld weit hinausgehen.“
Die Ruhe in Heiligendorf ist der komplette Gegensatz zum schnellen Spiel auf dem Eis, wo Sebastian Furchner harte Checks austeilt und einsteckt. Seit Mitte September läuft die neue Saison, und Furchi, wie ihn die Fans rufen, steht vor einem echten Meilenstein, den nur wenige Eishockeyspieler erreichen: die Tausend. Wenn alles gut läuft und der 36-Jährige fit und gesund bleibt, wird er irgendwann im kommenden Jahr zum 1.000 Mal das Trikot in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) überstreifen. Sebastian Furchner ist keiner, der alles an die große Glocke hängen muss. Auf diese Zahl jedoch, betont er, „wäre ich schon stolz“.
Zumal sie für seine Verbundenheit mit der Stadt und seinem Klub steht, denn die meisten Spiele gehen auf das Konto der Grizzlys. Schon zum Spiel Nummer 900 ehrten ihn die Wolfsburger Anhänger mit einer beeindruckenden Choreografie. Na klar habe er nach so vielen Jahren zu seinen Fans eine besondere Beziehung aufgebaut, betont er. „Mittlerweile kenne ich viele beim Namen.“
Mitten in der Saison über die Stränge schlagen? „Das kann ich mir nicht erlauben“, sagt er lachend, „dafür wissen zu viele, wer ich bin.“ Für Sebastian Furchner, der nach seinem Karriereende einen Anschlussvertrag bei den Grizzlys bekommen soll, ist diese Vertrautheit ein Kompliment. „Das zeigt, dass ich
ein Teil vom Ganzen geworden bin. Dieses Gefühl ist mit Geld nicht
aufzuwiegen.“
Stefan Boysen