Sich selbst und den Tieren zuliebe

Spätes­tens seit das berühm­teste Wolfs­burger Original-Ersatz­teil, die VW-Curry­wurst, auch als vegane Variante angeboten wird, ist die tierpro­dukt­freie Ernährung ein Gesprächs­thema in der Stadt. Doch Veganismus reicht über den Teller­rand hinaus. Es handelt sich um einen Lebens­stil, um eine Überzeu­gung, die alle Bereiche des Alltags umfasst.

Veganer leben asketisch, sind mangel­er­nährt und tragen selbst­ge­strickte Socken und Biolat­schen. Dieses Vorurteil hält sich immer noch hartnä­ckig. Wer Miriam Mletzko und

Ronny Liebing kennen­lernt, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass in dieser „Weisheit“ nicht einmal ein Fünkchen Wahrheit steckt. Die 25-jährige Miriam strich aus gesund­heit­li­chen Gründen vor vier Jahren tierische Produkte komplett vom Speise­plan. Eine Eiweiß­all­ergie zwang sie zu diesem Schritt. „Von da an habe ich mich mit dem Thema Veganismus beschäf­tigt“, sagt sie. Schnell bemerkte die Sport­lerin damals, dass sie durch die vegane Ernährung beim Triathlon bessere Ergeb­nisse erzielt. So entwi­ckelte sich aus der Not eine Überzeugung.

Heute benutzt Miriam Mletzko in der Küche keine Fertig­pro­dukte mehr, sondern kocht alles frisch. So kann sie sicher sein, nichts zu sich zu nehmen, was sie eigent­lich nicht möchte. Auch im Kleider­schrank, im Badschrank und im Putzeimer spiegelt sich ihre Einstel­lung wider. Miriam Mletzko kauft keine Wollpull­over mehr, keine Daunen­jacke, keine Leder­schuhe. Sie achtet darauf, dass für das Reini­gungs­mittel kein Tier gequält wurde und benutzt vegane Kosmetikprodukte.

Dazu zählt auch eine mit Vitamin B12 angerei­cherte Zahnpasta. So beugen Miriam Mletzko und Ronny Liebing einem Vitamin B12-Mangel vor. Denn dieses Vitamin wird von Veganern auf natür­li­chem Wege nicht aufge­nommen. „Darauf müssen wir achten, aber Vitamin B12-Mangel ist kein rein veganes Problem. Besonders ältere Menschen haben hier oft Defizite, sagt Andreas Gröppler. Eine ausge­wo­gene und abwechs­lungs­reiche Ernährung in Verbin­dung mit Sport helfe aber, Vitamin­mangel zu vermeiden.

Bei Ronny Liebing liegt die Entschei­dung, kein Fleisch mehr zu essen, schon 32 Jahre zurück. „Als Kind war ich mal mit meinem Opa in einer Schlach­terei. Ich sah die Kühe an den Haken hängen – das war für mich die Initi­al­zün­dung, Vegeta­rier zu werden“, erinnert sich der 38-jährige Wolfs­burger. Seit seiner Einschu­lung hat er kein Fleisch mehr gegessen – als einziges Mitglied der Familie.

Heute läuft Ronny Liebing Marathon und nimmt am Triathlon-Wettkampf „Ironman“ teil. „Durch den Sport habe ich mich viel mit dem mensch­li­chen Körper und der Ernährung befasst.

Vegan war deshalb nahelie­gend“, sagt er. Seit etwa vier Jahren lebt Ronny Liebing vegan, auch er hat mit der Ernährung angefangen. Später identi­fi­zierte er sich komplett mit der Idee des Veganismus. Der Gedanke des Umwelt­schutzes spielt für ihn eine große Rolle, und natürlich der Tierschutz. „Ich gehe beispiels­weise auf Demons­tra­tionen, wenn es um Tierschutz geht.“ Als dogma­tisch würde sich Ronny Liebing nicht bezeichnen, aber „ich vertrete meine Meinung. Wenn sich eine Plattform bietet, zeige ich Gesicht“.

Der Mensch hat nicht das Recht, Tiere einzu­sperren und zu töten“, bringt es Andreas Gröppler auf den Punkt. Er hat sich vor sechs Jahren aus ethischer Überzeu­gung der veganen Lebens­weise zugewandt. Und er meint, dass es nie einfacher war als heute, vegan zu leben. „Käseer­satz und Sojadrinks schmeckten vor zehn Jahren grausig. Heute gibt es in jedem Laden Alter­na­tiven zu Wurst und Fleisch.“

So braucht auch Miriam Mletzko nicht mehr Zeit für den Einkauf als fleisch­essende Mitmen­schen, und mehr Geld gibt sie auch nicht aus. Doch gerade die Kennzeich­nung der Waren lasse häufig zu wünschen übrig, beklagt Andreas Gröppler. „Ich denke jeder Bürger hat ein Recht darauf zu erfahren, was genau in Lebens­mit­teln und Konsum­gü­tern steckt und was nicht. Wer geht schon davon aus, dass in Kartof­fel­chips Rinder­ex­trakt, in bestimmten Brotsorten Cystein aus Schwei­ne­borsten steckt, oder Frucht­saft und Wein mit Gelatine geschönt bezie­hungs­weise gefiltert wurden.“

Zuver­läs­sige Infor­ma­tionen über die Inhalts-stoffe der Speisen sind auch ein Thema, wenn Veganer außer Haus essen. Sie wollen sich darauf verlassen, dass ihre Fragen im Restau­rant ernst genommen werden und man notfalls nochmal in der Küche nachfragt. Auf seiner Website wolfsburg-vegan.de hat Andreas Gröppler eine umfang­reiche Liste von Restau­rants mit veganem Speisenange-bot erstellt. Sich von japanisch über mediterran und deutsch bis hin zu mexika­nisch einmal durch die Küchen der Welt zu essen – das ist in Wolfsburg auch vegan möglich.

Miriam Mletzko räumt Vorbe­halte gegenüber der veganen Küche und Lebens­weise auf ihre Weise aus der Welt. Als sie kürzlich auf der Arbeits­stelle die Abteilung wechselte, servier-te sie zum Einstand einen selbst­ge­ba­ckenen veganen Kuchen. „Die Kollegen waren angenehm überrascht und erstaunt“, erinnert sie sich. Hat wohl sehr gut geschmeckt.

Beate Ziehres

DEIN WOLFSBURG, Mai 2016

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