Was für ein Theater
Woran dachten Sie eben, als Sie die Überschrift gelesen haben? An die große Bühne und ein schönes Schauspiel? Oder an eine stattliche Kinderschar, die aus Spaß an der Freud lacht, jubelt, schreit? An dieser Stelle geht es um beides, denn das Wolfsburger Weihnachtsmärchen bringt die Mädchen und Jungen unserer Stadt wieder in Wallung. Am 18. November feiert Hans Christian Andersens „Die Schneekönigin“ im Scharoun Theater Premiere. Bevor die Vorstellung beginnt, spricht Regisseur und Theaterpädagoge Jürgen Beck-Rebholz über den Zauber der Schneekönigin und das Junge Theater in Wolfsburg. Und er erzählt uns, was das Theatermachen für Kinder so besonders macht.
Herr Beck-Rebholz, sind Sie als Kind häufig ins Theater gegangen?
Mit fünf, sechs Jahren bin ich zum ersten Mal mit dem Theater in Berührung gekommen, als ich bei der Weihnachtsaufführung im Betrieb meines Vaters mitspielte. Ich kann mich daran erinnern, dass ich auf der Bühne tierische Angst hatte.
Heute sind Sie Theaterpädagoge und führen Kinder und Jugendliche an das Schauspiel heran. Was steckt in Ihrer Aufgabe alles drin?
Wenn wir den Begriff der Theaterpädagogik zweiteilen, dann geht es zum einen um das Theater und darum, die Kunst des Schauspielens zu vermitteln. Die Pädagogik dagegen betont den Bereich der Bildung. Wir möchten, dass die Kinder nicht aus den Augen verlieren, was ganz am Anfang ihres Lebens für sie selbstverständlich war – nämlich über das Spielen zu lernen.
Besteht die Gefahr, dass Kinder das Spielen vergessen?
Vor dem Fernseher sind sie nur Betrachter, das eigene Handeln wird vielen fremd. Durch die Theaterpädagogik bringen wir Kinder dazu weiterzuspielen, ihren Erlebnisbereich zu erweitern und sich selbst ganz neu zu erfahren – auch in der Auseinandersetzung mit anderen auf der Bühne. Wenn Kinder kleine Rollen üben, dann können sie sich in jegliche Richtung ausprobieren. Dabei lernen sie ganz andere Seiten von sich kennen.
Auf der Wolfsburger Bühne ist das „Junge Theater“ fester Bestandteil. Wer macht da alles mit?
Am Jungen Theater haben wir vier Spielclubs, im jüngsten sind Kinder von acht bis zwölf Jahren. Insgesamt haben wir eine Kapazität von 40 bis 50 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit denen wir einmal in der Woche für eineinhalb Stunden ein Theaterstück proben. In der Spielzeit bekommen sie die Möglichkeit, sich vor Publikum mit einer kleinen Präsentation zu zeigen.
Worauf achten Sie bei der Auswahl der Kinder?
Die Kinder brauchen weder Erfahrung noch suchen wir nach besonderen Talenten. Alle sind willkommen. Zu Beginn geht es auch gar nicht darum, eine Rolle zu spielen. Die Jüngsten sollen in Bewegung kommen und miteinander spielen, ganz einfach. Über dieses Spielen und das Vergnügen an sich selbst und den anderen versuchen wir, es selbstverständlich werden zu lassen, dass sie später einmal auf der Bühne stehen werden.
Im neuen Weihnachtsmärchen „Die Schneekönigin“ werden echte Profischauspieler am Werk sein und die Mädchen und Jungen vor der Bühne sitzen. Worauf dürfen sich die Kinder freuen?
Auf ein tolles Liveerlebnis! In verschiedenen Rollen lassen fünf Schauspieler die Kinder in eine fantastische Welt eintauchen – mit einem sehr schön gestalteten Bühnenbild, das sich dreidimensional verwandelt, und durch eine besondere Lichtstimmung, die dichte Atmosphären erzeugt. Das Schöne am Theater ist: Es fordert jeden von uns auf eine ganz andere Weise, als es das Kino tut. Im Theater ist die Kulisse nie so perfekt wie im Film. Es ist wichtig, dass wir unsere eigene Fantasie benutzen und uns damit an dem Stück beteiligen. Übrigens: Wir freuen uns auch.
Worauf?
Das Liveerlebnis ist auch für uns etwas Großartiges. Nach der langen Coronazeit ein Team aus Schauspielern, Technikern, Schneiderin, Bühnen- und Maskenbildern zu formen, aus vielen Einzelteilen gemeinsam etwas zu gestalten und den Kindern begegnen zu dürfen, ist für uns unglaublich spannend.
Warum haben Sie „Die Schneekönigin“ zum Weihnachtsmärchen gemacht?
Das Stück zeigt uns, wie wertvoll Freundschaft und Vertrauen sind. Kai und Gerda sind beste Freunde, doch durch einen äußeren Umstand verändert sich alles. Kai, der eigentlich ein guter, freundlicher Kerl ist, wird auf einmal ärgerlich und wütend – und ist plötzlich verschwunden. Gerda, die weiter an die gemeinsame Freundschaft glaubt, macht sich auf die Suche nach ihm. Ganz allein nimmt das junge Mädchen alle Hindernisse in Kauf, um ihren Kai zu finden.
Worauf haben Sie als Regisseur bei der Inszenierung geachtet?
Wenn ich das Stück zum ersten Mal lese, dann entstehen zu den Figuren sofort Bilder und Gefühle in meinem Kopf. Beim Vorsprechen der Schauspieler halte ich nach diesen Gefühlen Ausschau. Bereits in diesem Moment beginne ich, das Stück umzusetzen. Wichtig ist mir, dass es auf der Bühne Livemusik gibt – gleich in der ersten Szene spielen Kai und Gerda Gitarre und singen; und dass das Stück eine durchgängige Geschichte ist mit wenig Umbauten. Im Prinzip läuft es in einem durch.
Was macht es besonders, ein Theaterstück für Kinder zu inszenieren?
Ich darf nicht nur mein Ding machen wollen, sondern muss die Perspektive der Kinder einnehmen können. Zum Glück sind die Hauptdarsteller noch jung und nah dran am Publikum. Wenn wir proben, dann sagen sie mir schon mal: „Jürgen, das funktioniert so nicht …“ Ich muss mich ein Stück weit als Regisseur zurücknehmen und auf das einlassen, was die Kinder erleben wollen. Am wichtigsten ist, dass das Publikum Spaß hat.
Wie erleben Sie die Reaktion der Kinder?
Während des Stücks gehen sie mächtig mit und kreischen oder sie haben aus Langeweile keinen Bock mehr – bei Kindern ist alles möglich. Von ganz ruhig bis ganz wild werden das sehr unterschiedliche Vorstellungen sein. Das Geschick der Schauspieler ist gefragt, durch ihr Spiel die Kinder in das Stück hineinzuziehen. Im Foyer werde ich die Kinder immer mal wieder fragen, wie es ihnen gefallen hat.
Herr Beck-Rebholz, von wo aus werden Sie das Weihnachtsmärchen verfolgen?
Zuerst werde ich noch im Publikum sitzen, um im Anschluss mit den Schauspielern über die Aufführung sprechen zu können. Häufig fiebere ich sehr stark mit. Wer hinter mir sitzt, wird mich ziemlich zappeln sehen. Ich sehe ganz genau, was spielerisch gelungen ist und was nicht. Später halte ich mich dann raus. Die Schauspieler sind Profis, die auch ohne mich die Kinder zur Weihnachtszeit verzaubern werden.
Stefan Boysen
Titelfoto: © WMG, Foto JSG
Ausgabe 16, DEIN WOLFSBURG, Herbst/Winter 2022
Ich besuchte heute die Aufführung und muss sagen, dass das Bühnenbild sehr gut gelungen ist.
Allerdings hat mir die Scene mit dem Messer der Räubertochter überhaupt nicht gefallen hat. ( nicht kindgerecht)
Ich finde es schön, dass die Kinder keine Erfahrung brauchen, um am Theater teilzunehmen. In dem Alter ist es doch einfach nur wichtig, Spaß an solchen Sachen zu haben. Wir möchten uns jetzt auch Scheinwerfer mieten und unsere eigene Theaterbühne machen.