Kein Kuschelkurs, sondern echte Lebensrettung
Die Tierhilfe Wolfsburg e. V. holt Hunde und Katzen aus dem Elend – und bringt sie in ein liebevolles Zuhause
Nein, es ist nicht bloß ein Marketing-Gag, auch wenn Katzenbilder – so eine zentrale Erkenntnis aus dem World-Wide-Web-Zeitalter – ja irgendwie immer gehen. Über die zuckersüße, überglückliche Flauschigkeit hinaus ist der jährliche Fotokalender der Tierhilfe Wolfsburg vor allem eine Erfolgsdokumentation. Denn auf der Internetseite des Vereins gibt es auch ganz andere Bilder: Dort zeigen die Helferinnen und Helfer, in welch entsetzlichem Zustand die Katzen und Hunde sind, die sie in ihre Obhut nehmen. Und denen sie mit Hilfe von derzeit sieben Pflegefamilien ein vierbeinerwürdiges Leben zurückgeben.
Seit 12 Jahren setzt die Tierhilfe auf dieses besondere Modell: Von Menschen ausgesetzte, vernachlässigte oder gequälte Tiere landen nicht im Zwinger, bis sich ein neues Frauchen oder Herrchen ihrer erbarmt. Stattdessen erfolgt die Unterbringung in der Regel in einer tierlieben Pflegefamilie, in der sie bis zur Vermittlung unter Artgenossen leben – allein 2019 ist das gut 200 Mal gelungen. Als Konkurrenzmodell zum Tierheim will die zweite Tierhilfe-Vorsitzende Jennifer Bastian die Vorgehensweise jedoch nicht verstanden wissen: „Wir arbeiten vielmehr eng mit anderen Institutionen des Tierschutzes zusammen.“
Tierhilfe Wolfsburg – Hand in Hand mit anderen Institutionen
Wenn es um das Wohl von vor allem Hunden und Katzen geht, ist Konkurrenzdenken sowieso fehl am Platz. Vielmehr braucht es für die vielen Maßnahmen neben einer engagierten Vereinsarbeit eine ebenso belastbare Vernetzung. Ein Blick in die Tagespresse zeigt, mit welch großem Einsatz die rund 100 Mitglieder nicht nur Nothilfe leisten, sondern auch über artgerechte Tierhaltung informieren und für Tierschutz sensibilisieren – fast immer Hand in Hand mit anderen Institutionen.
Dabei gibt es keinen erhobenen Zeigefinger: „Viele Menschen kennen die Risiken einfach nicht, die für Tiere oder im Umgang mit ihnen entstehen können“, betont die Tiermedizinische Fachangestellte und Tierpsychologin. Dass etwa ein Swimmingpool für Katzen eine Todesfalle ist – das ist vielen Planschfreudigen gar nicht bewusst; und wie man sich verhält, wenn plötzlich eine Fledermaus im Wohnzimmer hängt – auch das ist gar nicht so klar, wie es vielleicht scheint.
Streunende Katzen werden eingefangen
Wie wichtig und geschätzt die Arbeit der Tierhilfe bei den Wolfsburgerinnen und Wolfsburgern ist, zeigt zweierlei: Zum einen sind Zeitungsjournalisten*innen und sogar Filmteams regelmäßig zu Gast in der Haupt-Pflegestation in Querenhorst bei Helmstedt; zum anderen können sich die Mitglieder über eine große Spendenbereitschaft sowohl von Privatpersonen als auch anderen Vereinen freuen: „Die schönste Überraschung war für uns in diesem Jahr eine anonyme Geldspende über 20.000 Euro für das neue Katzenhaus und – nicht zu vergessen – die weiteren Spenden lieber Menschen“, erzählt Jennifer Bastian.
Streunende und verletzte Tiere müssen regelmäßig von der Tierhilfe eingefangen und versorgt werden.
Doch bei aller berechtigter Freude: Ohne diese Mittel könnte die Tierhilfe Wolfsburg ihre Arbeit gar nicht mehr leisten. Fast jede Woche sind ihre Mitglieder im Einsatz, um verwahrloste Katzen und gequälte Hunde vor Krankheit, Leid und Tod zu retten. Die Folgekosten für medizinische Behandlung und anschließende Pflege können schnell mehrere Hundert Euro betragen. „Mitunter sind die Tiere mit Wunden übersät, aufgrund von Vernachlässigung voller Parasiten und teilweise sogar als Folge der Misshandlungen blind oder verstümmelt“, sagt die Co-Vorsitzende.
Auf der Internetseite des Vereins bekommt dieses Elend ein Gesicht. Es sind Fotos, die einem das Herz zerreißen. Das zeigt: Die Arbeit der Tierhilfe ist im wahrsten Wortsinn kein Kuschelkurs. Umso wütender macht es Jennifer Bastian, wenn Tiere immer noch als Weihnachtsgeschenke unter dem Christbaum liegen oder die Halterinnen und Halter ihren elementarsten Pflichten nicht nachkommen. Dazu gehört zum Beispiel die Kastration von Katern: „Wir haben immer mehr streunende Katzen, die schwanger sind. Das ist eben nicht natürlich, sondern mit Leid für die Mutter und ihre Kinder verbunden. Hier droht eine echte Katastrophe.“
Es braucht Liebe, Zeit und tierärztlicher Unterstützung um die Schützlinge wieder aufzupeppeln. Manchmal kommt die Hilfe auch zu spät. Nicht aber für Monsterchen und Kurzer.
Alexander Kales