„Wir, das Veterinäramt Wolfsburg, sind das Auge der Verbraucherinnen und Verbraucher“
Dr. Stefan Leopold leitet das Wolfsburger Veterinäramt. Der promovierte Tierarzt und sein Team haben ein breites Aufgabenspektrum: von der Tierhaltung über die Lebensmittelsicherheit bis hin zur Sauberkeit in der Gastronomie. Mit DEIN WOLFSBURG sprach er über Digitalisierung, Hygieneampeln und unterschiedliche Positionen im Tierschutz.
Herr Dr. Leopold, gehen Sie eigentlich noch gern essen?
Ja, sogar gern. Zumal wir in Wolfsburg im Durchschnitt deutlich weniger Hygienemängel haben als in vielen anderen Städten. Das liegt auch daran, dass die Stadt jung ist: In Altbauten gibt es Probleme etwa mit Schimmel, für die die Betreiberin oder der Betreiber des Restaurants gar nichts kann. Ohnehin funktionieren die Kontrollen im Veterinärbereich in Deutschland ausgezeichnet.
Wie viele Kontrollen führen Sie in Wolfsburg mit Ihrem Team jährlich durch?
Ohne Nachkontrollen sind es rund 1.000 Stück. Dafür sind wir personell sehr gut aufgestellt. In meinem Team sind vier Beschäftigte für Lebensmittelkontrollen zuständig, hinzu kommen drei Amtstierärztinnen, zwei Verwaltungskräfte und zwei Auszubildende.
Wie läuft eine typische Restaurantkontrolle des Veterinäramts ab?
Sie beginnt in der Regel mit dem Aktenstudium, wobei das bei uns mittlerweile auch digital passiert: Man öffnet ein Programm und bekommt die Betriebe angezeigt, die kontrolliert werden müssen. Die Auswahl trifft die Software auf Basis einer Risikobeurteilung, in welche Mindestkontrollzeiten sowie die Ergebnisse früherer Kontrollen einfließen. Auch Beanstandungen vor Ort werden nicht mehr per Klemmbrett erfasst, sondern per Fingertipp auf dem Tablet. Aus der Summe der Mängel leiten sich dann weitere Maßnahmen und gegebenenfalls Sanktionen ab, die bis zur Schließung, einem Bußgeld oder sogar einem Strafverfahren reichen können. Das ist dann der Fall, wenn die Verstöße besonders schwer oder zahlreich sind.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein Fall, der sich allerdings nicht in Wolfsburg ereignet hat, ist mir noch gut im Gedächtnis. In dem Restaurant sah schon die Küche nicht gut aus; im Keller fiel mir dann ein grünliches Leuchten auf. Es stellte sich heraus, dass der Inhaber tatsächlich Rattengift zwischen den Paketen und Regalen mit Lebensmitteln gestreut hatte – aus völliger Ahnungslosigkeit. Den Betrieb haben wir natürlich geschlossen.
Selbst in solch schwerwiegenden Fällen werden die Ergebnisse von Kontrollen inhaltlich nicht transparent gemacht. Man liest daher immer wieder Forderungen, sogenannte Hygieneampeln einzuführen …
Diesem Konzept stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Eine Hygieneampel bildet eine Momentaufnahme ab, den Status zum Zeitpunkt der Kontrolle. Da kann selbst ein jahrelang vorbildlich geführtes Restaurant plötzlich auf Rot stehen, etwa weil die Reinigungskraft am Vorabend unerwartet ausgefallen ist. Die Gastronomin oder der Gastronom würden entsprechend eine rasche – und realistische – Neubewertung von uns verlangen, was enormen Aufwand bedeutet und die Hygieneampel letztlich auch ad absurdum führt.
Gibt es andere Indizien, anhand derer der Gast auf die Zustände in der Küche schließen kann? Eine Zeit lang galt die Sauberkeit der Gäste-WCs als Kriterium.
Jeder Beschäftigte in der Gastronomie weiß, dass im Gastraum alles in Ordnung sein muss. Entsprechend intensiv wird hier geputzt. Das sagt aber nichts darüber aus, wie die Zustände in der Küche oder in den Lagerräumen sind. Genau dort haben wir Zugang und sind das Auge der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Um im Bild zu bleiben: Wie umfassend ist dieser Blick?
Der Aufgabenbereich des Veterinäramts umfasst tatsächlich nicht bloß die Gastronomie. Im Englischen gibt es eine schöne Wendung, die unsere Tätigkeit sehr treffend umreißt: From Stable to Table – also vom Stall bis auf den Esstisch. Wir kontrollieren die Tierhaltung in der Landwirtschaft, aber übrigens auch im privaten Umfeld. Und wir untersuchen Waren im Einzelhandel, wobei wir uns nicht auf tierische Endprodukte beschränken, sondern prinzipiell alle Bedarfsgegenstände kontrollieren, die mit dem menschlichen Körper oder Lebensmitteln in Kontakt kommen.
Wo liegt – abgesehen von den Kontrollen in der Gastronomie – der Schwerpunkt zu Beginn des Wegs vom Stable zum Table?
In Wolfsburg ist es mit 80 Fällen der städtische Tierschutz, also das Wohlergehen überwiegend von Hunden, Katzen und Kleintieren. Aufgrund der Einkommensstruktur gibt es aber auch überdurchschnittlich viel Pferdehaltung. Dabei agieren wir unabhängig von Tierschutzvereinen und nehmen auch unterschiedliche Perspektiven ein: Eine unaufgeräumte Wohnung gefährdet aus tierärztlicher Sicht nicht das Wohl des dort lebenden Hundes – da dürfen wir keine menschlichen Maßstäbe anlegen. Für uns sind dagegen – unbestritten gut gemeinte – Hunderettungen aus dem Ausland problematisch; durch sie werden mitunter Krankheiten eingeschleppt, die wir bereits besiegt hatten.
Gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Ja, eine große Klammer für die Tätigkeiten im Tierschutz ist der Kampf gegen das Katzenelend. Wir alle stehen klar hinter der städtischen Verordnung, dass Kater und Katzen als Freigänger kastriert werden müssen. Denn das eine Katze nur eine Katze ist, wenn sie mindestens einmal geworfen hat, ist ein Märchen; und eine Katastrophe für ihre Jungtiere, die am Ende auf der Straße oder bestenfalls noch im Tierheim landen.
Alexander Kales
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