Nico Briskorn, Leiter Corporate Social Responsibility des VfL Wolfsburg

Vielfältig nachhaltig

Im Gespräch mit Nico Briskorn, Leiter Corporate Social Respon­si­bi­lity des VfL Wolfsburg

Über die gesell­schaft­liche Verant­wor­tung des Fußballs weiß wohl keiner so gut Bescheid wie Nico Briskorn. Gemeinsam mit seinem Team hat der Leiter Corporate Social Respon­si­bi­lity des VfL Wolfsburg seinen Klub zum Vorreiter in Sachen Nachhal­tig­keit im Sport gemacht. Grund genug, um mit ihm über Klima­schutz, Vielfalt und starke Vorbilder zu sprechen. Nico Briskorn über …

… das Jahr, in dem für den VfL eine neue Zeitrech­nung begann:

Im Jahr 2010 wurde meine Abteilung gegründet. Zwei Jahre danach haben wir als weltweit erster Klub einen zerti­fi­zierten Nachhal­tig­keits­be­richt heraus­ge­bracht. Seit diesem Zeitpunkt wissen wir, was Nachhal­tig­keit bedeutet. Wir haben Ziele definiert wie „Netto Null“: Bis zum Jahr 2025 wollen wir die CO2-Emmis­sionen deutlich reduziert und kompen­siert haben, sodass der VfL klima­neu­tral ist. Das ist ein sehr ambitio­niertes Ziel. Aus Analysen wissen wir, wo unsere Schwach­stellen sind und wie wir sie syste­ma­tisch abarbeiten.

… die wichtigen Aufgaben seines Teams:

Wir haben zwei Rollen inne. Zum einen setzen wir das soziale Engage­ment des VfL in unseren Projekten eigen­ständig um. Zum anderen sind wir Organi­sa­ti­ons­ent­wickler. Das heißt, dass wir alle Abtei­lungen des VfL befähigen, Nachhal­tig­keit zu verankern – sei es im Fanser­vice durch den Verkauf von nachhaltig produ­zierten Merchan­dise-Artikeln oder im Catering mit dem Angebot von veganen Speisen. Die beiden Fokus­themen unserer Abteilung lauten: Klima und Vielfalt.

… ein besseres Klima durch erneu­er­bare Energien:

Beim VfL bauen wir den Anteil an Photo­vol­taik aus und in einem mehrstu­figen Prozess die E‑Lade-Infra­struktur auf. In einer Mobili­täts­ana­lyse haben wir festge­stellt, dass für 60 Prozent der Fans das E‑Bike das bevor­zugte ökolo­gi­sche und ökono­mi­sche Fortbe­we­gungs­mittel ist. Deswegen setzen wir uns damit ausein­ander, wie wir an der Volks­wagen Arena sichere Abstell­plätze etablieren können. Für die Fahrt zum Stadion können unsere Fans über das Kombi­ti­cket das Angebot des ÖPNV nutzen. Sollten sie eine längere Anfahrt haben: Das Klima­ti­cket bietet ihnen die Möglich­keit, die CO2-Emmis­sionen von An- und Abreise zu kompensieren.

… umwelt­ge­rechtes Merchandising:

Zusammen mit dem Start-up Yook habe wir den klima­neu­tralen Warenkorb geschaffen. So können unsere Fans sehen, welchen CO2-Fußab­druck die Fanar­tikel durch Produk­tion und Versand hinter­lassen. Wir überlassen ihnen die Entschei­dung, ob sie diesen Abdruck beim Kauf kompen­sieren möchten. Zwölf Prozent nutzen diese Möglich­keit – das ist eine richtig gute Quote.

… Erfolge im Kampf gegen Mikroplastik:

Damit über unsere Kunst­ra­sen­plätze kein Mikro­plastik in die Umwelt gelangt, haben wir Gummi­gra­nulat-Filter in die Abflüsse eingebaut. Auch unsere Wasch­an­lagen verfügen über Filter­lö­sungen, die 90 Prozent der Mikro­fa­ser­par­tikel aus dem Abwasser entfernen.

… die Vision für die Zukunft:

Mit dem Caterer schauen wir uns genau an, an welchen Stand­orten wie viel Abfall entsteht und wo wir ihn reduzieren können. Im Stadion wird die Bratwurst im Brötchen verkauft und nicht in der Pappschale. Bei den Pommes verzichten wir auf Plastik­ga­beln und setzen statt­dessen auf umwelt­ver­träg­li­chere Materia­lien wie Holz. Unsere Vision ist es, ein Zero-Waste-Konzept zu erarbeiten und umzusetzen. Dann gäbe es überhaupt keine Abfälle mehr beim Fußball.

… die besondere Beziehung des Fußballs zur Nachhaltigkeit:

Es gibt jede Menge Zielkon­flikte. Um zum Beispiel ein perfektes Grün zu haben, benötigen wir viel Wasser. Deswegen nutzen wir zur Bewäs­se­rung der Trainings­flä­chen Grauwasser aus dem Mittel­land­kanal. Unsere Green­keeper arbeiten mit Sensoren. So wissen sie ganz genau, wie viel Wasser der Rasen benötigt.

… die VfL-Wegbe­rei­terin für mehr Vielfalt:

Im Fußball haben Antidis­kri­mi­nie­rung und ‑rassismus sowie Inklusion schon lange ihren Platz. Im Jahr 2017 entschied sich unsere Kapitänin Nilla Fischer, mit der Regen­bogen-Binde aufzu­laufen. Ein Jahr später taten es ihr alle VfL-Mannschaften gleich. Für uns war das der Anlass, sich neu mit dem Thema ausein­an­der­zu­setzen. Unser Leucht­turm­pro­jekt ist die „Wolfs­burger Schule für Vielfalt“, die eine tolle Entwick­lung genommen hat und an der sich immer mehr Schulen betei­ligen. Im „Grün-Weißen Klassen­zimmer“ ist den ganzen Tag Leben drin: mit Workshops für Schüle­rinnen und Schüler und Sprach­kursen für Geflüch­tete. Mit den VfL-Frauen haben wir starke Vorbilder, die Haltung zeigen und Vielfalt nach innen und außen tragen.

… die Vorbild­funk­tion des Fußballs:

Der Fußball hat große Strahl­kraft und erreicht ein Millio­nen­pu­blikum. Doch sollte man den Spieltag nur begrenzt für Nachhal­tig­keits­bot­schaften nutzen, damit die Fans das Spiel genießen und für 90 Minuten alle Sorgen vergessen können. Es geht uns auch gar nicht darum, mit erhobenem Zeige­finger daher­zu­kommen. Wir möchten Lust machen auf Alter­na­tiven, nach dem Motto: „Unsere Profis ernähren sich vegan, probiert es doch auch einmal aus.“ Generell bin ich der Meinung, dass für die Nachhal­tig­keits­trans­for­ma­tion der Fußball eine Riesen­chance ist.

… Spitzen­plätze in Nachhaltigkeitstabellen.

Mittler­weile gibt es viele Rankings, die Nachhal­tig­keit abbilden. Durch die Bank schneidet der VfL gut ab. Zur Saison 2023/24 greift das Thema zum ersten Mal im Rahmen der Lizen­zie­rung durch die Deutsche Fußball Liga. Alle Klubs müssen bestimmte Nachhal­tig­keits­kri­te­rien erfüllen. Der VfL hat eine Vorrei­ter­rolle inne, für uns ist das absolut machbar. Wir sind einer von wenigen Klubs, die chancen­ori­en­tiert an das Thema heran­ge­gangen sind und an den langfris­tigen Mehrwert nachhal­tiger Entwick­lung glauben.

Stefan Boysen

Beitrags­bild © VfL Wolfsburg

Ausgabe 16, Dein Wolfsburg, Herbst/Winter 2022

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