Der Botschafter für unsere Stadt
Von der Delegation aus mexikanischen Politikern über die Journalisten der Bundespressekonferenz bis hin zu den Mitwirkenden des Fachärztekongresses: Salopp gesagt gibt es keinen, dem Bernhard Knorn noch nicht die Gesichter Wolfsburgs gezeigt hat. Seit dem Jahr 1973 gibt unser dienstältester Gästeführer an Besucher aus nah und fern all das weiter, was er über unsere Stadt weiß – und das ist eine ganze Menge. Im Interview spricht der 67-Jährige darüber, auf welche Art und Weise er seinen Gästen Wolfsburg näherbringt und wieso er seine Stadt so sehr mag. Und Bernhard Knorn verrät, was er sich im kommenden Jahr zu seinem Jubiläum wünscht.
Herr Knorn, sind Sie ein guter Geschichtenerzähler?
Ich glaube schon, zumindest habe ich meines Berufes wegen immer viele Geschichten erzählt. Ich war Studiendirektor an der Carl-Hahn-Schule in Wolfsburg, wo ich Spanisch und Betriebswirtschaft unterrichtet habe. Häufig war ich in Spanien und Mexiko unterwegs. Meine Schüler wollten viel von diesen Ländern und ihrer Kultur wissen und auch, was ich dort alles erlebt habe.
Geben Sie als Gästeführer viele Anekdoten über das Leben in Wolfsburg zum Besten?
Das gehört neben den Fakten dazu, doch hole ich die Gäste auch auf eine andere Art und Weise ab. Ich lade sie ein, eine junge und moderne Stadt kennenzulernen – und sich darauf einzulassen. Wolfsburg ist erst 1938 gegründet worden und hat eine ganz besondere Geschichte. In keiner anderen deutschen Stadt liegen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so eng beieinander. Das macht es so spannend, sich mit Wolfsburg zu beschäftigen.
Was meinen Sie damit, dass man sich auf Wolfsburg einlassen müsse?
Man muss offen für Neues sein und einfach Lust darauf haben, Wolfsburg unvoreingenommen zu entdecken und zu erleben. Im Prinzip bildet unsere junge Stadt ja die Entwicklungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ab. Die Wirtschaftswunderzeit ließ Wolfsburg Stadtteil für Stadtteil wachsen. So entstand die Stadt im Wandel der städtebaulichen Leitbilder, die es im Laufe der Zeit gegeben hat. Dazu kommen die Monumentalbauten bedeutender Architekten. Wenn ich im Bus mit Gästen durch die Stadt fahre, können sie anhand der Architektur in den Stadtteilen deutlich erkennen, in welcher Epoche wir uns gerade befinden. Allein um sich das anzuschauen, kommen auch Architekturstudenten nach Wolfsburg.
Was gefällt Ihnen an Wolfsburg am besten?
Die Stadtplanung mit dem vielen Grün und natürlich der Allerpark mit dem Allersee und den vielen Freizeitmöglichkeiten drum herum. Was man hier alles unternehmen kann, ist einfach toll. Es reisen viele Gäste nach Wolfsburg, um selbst einmal dieses große Angebot auszuprobieren. Auch das Scharoun Theater gefällt mir wahnsinnig gut. Zum einen ist das Gebäude ein absolutes Highlight. Abends vom Foyer aus kann man wunderbar auf die Lichter der Stadt sehen. Zum anderen ist das Theater die Bühne für viele großartige Gastspiele. Und: Wolfsburg ist sozusagen die Hauptstadt von Volkswagen; Forschung und Entwicklung werden hier großgeschrieben. In der Stadt können wir ganz nah miterleben, welche Weichen für unsere Zukunft gestellt werden.
Welcher ist Ihr Lieblingsplatz in Wolfsburg?
Neben der Traditionsinsel Schloss ist mein Lieblingsort die Stadtbrücke: die Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Wolfsburg, also zwischen der von Peter Koller geplanten Industriestadt und den neuen touristischen Freizeitangeboten. Wenn ich von hier aus mit meinen Gästen in alle Richtungen blicke, dann sehen wir das Verwaltungsgebäude von Volkswagen, das Werk, die Autostadt, die Volkswagen Arena im Allerpark, die Designer Outlets, das phaeno, dazu die ICEs im Hauptbahnhof und
Schiffe auf dem Mittellandkanal. Hier, auf einem Teil der alten Kollerachse, spielt das Leben und es zeigt sich wunderbar, wie mobil Wolfsburg ist, sich weiterentwickelt hat und die Zukunft in Angriff nimmt.
In Ihrem Kopf steckt viel Wissen über Wolfsburg. Können Sie noch dazulernen?
Na klar. In Wolfsburg passiert so viel und ich versuche, alle aktuellen Entwicklungen mitzuverfolgen. Auch die geschichtlichen Zusammenhänge interessieren mich sehr. Gerade habe ich mich intensiv mit der Entwicklung des Handwerkerviertels und den Auswirkungen der Wolfsburger Wohnungsbauoffensive mit den neuen Stadtteilen Hellwinkelterrassen, Steimker Gärten und Sonnenkamp auseinandergesetzt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Gästeführer zu werden?
Als Schüler war ich auf Klassenfahrt in Köln, wo wir eine Stadtrundfahrt machten. Die Gästeführerin war eine Studentin und sie hat super erklärt, was ihre Stadt ausmacht. Da dachte ich mir: Das mache ich auch. Als ich zurück in Wolfsburg war, bin ich ins Rathaus gegangen und habe mich beim damaligen Verkehrsverein vorgestellt. Auf meine Aufgabe habe ich mich entsprechend vorbereitet, ich wurde geprüft – und dann ging es los.
Haben Gästeführer auch besonders kniffelige Fälle zu lösen?
Fachführungen und auch fremdsprachliche Führungen bedürfen immer einer speziellen Vorbereitung. Es kommt auch schon einmal vor, dass Schülergruppen nicht so motiviert sind und anstelle der Stadtführung lieber shoppen gehen würden. Trotzdem will man es schaffen, dass sie gute Eindrücke von Wolfsburg mit nach Hause nehmen.
Wie bekommen Sie das hin?
Man muss immer gut vorbereitet sein und auf die einzelnen Gruppen zugehen. Als ich einmal eine Schulklasse am Hauptbahnhof in Empfang nahm, die eigentlich überhaupt keine Lust hatte, sagte ich zu ihr: Heute machen wir einmal Schule anders – und zwar nach meinem Stundenplan. Wir haben dann im Fach Kunst im Bahnhof das Bodenkunstwerk von Daniel Buren durchgenommen, in Geografie den Mittellandkanal, Sport gab es auf den Treppen der Stadtbrücke, Geschichte am Otto-Wels-Platz und Politik am Rathaus, wo die Gewaltenteilung anhand der Gebäudearchitektur sichtbar wird. Als meine Stadtführung zu Ende war, hätten die Schüler am liebsten noch mehr Unterricht gemacht. Die Lehrer konnten es gar nicht glauben …
Wieso sind Sie gerne Gästeführer?
Gästeführer zu sein, ist mein Hobby. Außerdem bin ich echter Wolfsburger und in Heiligendorf geboren. Zwar war ich zwischendurch mehrmals weg. Doch ich bin jedes Mal gerne zurückgekommen, weil mir die Stadt viele, auch berufliche Möglichkeiten geboten hat; und weil hier zeitgemäße Vorstellungen zur Stadtentwicklung umgesetzt werden, die Stadt jung, modern und international ist und sich immer wieder verändert. Das fasziniert mich so an Wolfsburg.
Wann gehen nicht nur die Gäste zufrieden nach Hause, sondern auch der Gästeführer?
Wenn meine Gäste sagen: „Wir hätten nie erwartet, dass Wolfsburg so viel zu bieten hat. Um uns alles noch einmal ganz ausführlich anzusehen, kehren wir bestimmt noch einmal zurück.“ Dann habe ich mein Ziel erreicht.
Herr Knorn, im nächsten Jahr feiern Sie ein stolzes Jubiläum: 50 Jahre Gästeführer in Wolfsburg. Haben Sie einen besonderen Wunsch?
Für unsere Stadt wünsche ich mir, dass sie in der digitalen Welt den Technologiewandel weiterhin erfolgreich mitbestimmt. Für mich persönlich wünsche ich mir, gesund zu bleiben – und dass ich weiter meine Gäste durch Wolfsburg führen darf. Mir macht das noch immer sehr viel Spaß.
Stefan Boysen
Anmeldung unter: https://www.wolfsburg-reisen.de/reiseangebote/stadtfuehrungen/
Titelfoto: Gästeführer Bernhard Knorn © WMG Wolfsburg, Foto: Sahnefoto
Ausgabe 16, DEIN WOLFSBURG, Herbst/Winter 2022