Bioabfall

Alles nur für die Tonne? Von wegen!

Bioabfall in Wolfsburg

Für die einen ist er nichts als Müll, für die anderen ein gern gesehener Nährstoff­lie­fe­rant: unser Bioabfall. Was geschieht eigent­lich mit den ganzen Abfällen? Und wie wird aus vermeint­lich Wertlosem etwas von Wert? Ein Ortsbe­such auf Wolfs­burgs Kompos­tie­rungs­an­lage, wo es zu einer unerwar­teten Begegnung kommt.       

Mit diesem süßlich-würzigen Geruch, der langsam die Nase hinauf­kriecht, konnte man ja rechnen. Aber dass dieser Ort etwas fürs Auge ist? Große, offen­sicht­lich ziemlich gut genährte Raubvögel kreisen über der Kompos­tie­rungs­an­lage. Mit ihren langen, breiten Schwingen bieten die Rotmilane und Bussarde ein fabel­haftes Natur­schau­spiel. Und dann sind da noch die Störche – kaum zu glauben, wie viele es sind. „Gut und gerne zwanzig bis dreißig kommen uns immer wieder besuchen. Mittler­weile kennen wir jeden der Störche beim Namen“, sagt Wolfgang Rubach lachend.

Die Kompos­tie­rungs­an­lage der Stadt

Wolfgang Rubach arbeitet bei der Wolfs­burger Abfall­wirt­schaft und Straßen­rei­ni­gung (WAS), und sein Arbeits­platz ist die Kompos­tie­rungs­an­lage der Stadt. Hier, am Stadt­teil­rand von Fallers­leben, landet das, was jeder Wolfs­burger in seine Tonne schmeißt: die Bioab­fälle, die für die Vögel augen­schein­lich ein Schla­raf­fen­land sind.

Reste von Obst und Gemüse, verdor­bene Lebens­mittel und Eierschalen, Teebeutel und Kaffee­filter, auch Blumen­erde und Grünab­fälle von Bäumen, Büschen und Beeten: Für diesen Müll aus Küche und Garten ist das Entsor­gungs­zen­trum Wolfsburg die Endsta­tion. Wobei: Zwischen­sta­tion trifft es besser. Denn Wolfgang Rubach und sein Team verwan­deln den Müll in einen wertvollen Boden-Verbesserer.

Um 8 Uhr morgens rollen die ersten Lkw mit ihrer Ladung auf das Gelände; kurze Zeit später tauchen die ersten Pkw von Privat­leuten auf, die mit dem Anhänger Äste, Sträucher und Laub trans­por­tieren. Bis in den frühen Nachmittag hinein ist es ein Kommen und Gehen. Jede Fracht, die zur Kompos­tie­rungs­an­lage befördert wird, wird sorgfältig gewogen und protokolliert.

Deswegen weiß Wolfgang Rubach genau darüber Bescheid, mit wie viel Bioab­fällen und Grünschnitt er es zu tun hat. „Im Jahr beträgt das Gewicht insgesamt rund 21.000 Tonnen“, sagt er. Weil die Wolfs­burger Anlage für eine Größen­ord­nung von 17.500 Tonnen genehmigt ist, „reichen wir den Überschuss an andere Anlagen weiter“.

Auf dem 10.000 Quadrat­meter großen Areal – das sind ungefähr einein­halb Fußball­felder –, wuselt ein gelber Radlader zwischen den drei, vier Meter hohen Rotten­mieten umher. Rotten­mieten? „Das sind die langen Reihen, die sich aus den aufge­schüt­teten Bioab­fällen zusammensetzen.“

Ihren Namen tragen sie nicht umsonst. Der Bioabfall rottet so lange, bis er sich in dunklen, krüme­ligen Kompost verwan­delt hat. Der ist kostbar, denn: Er verbes­sert die Böden und seine Nährstoffe helfen Pflanzen, groß und stark zu werden.

Über den Rotte­pro­zess lassen sich seiten­starke wissen­schaft­liche Abhand­lungen schreiben, die von aeroben und hetero­tro­phen Einflüssen erzählen, sprich: von Stoff­wech­sel­pro­zessen, die durch Sauer­stoff in Gang gesetzt werden, und von Bakterien und Pilzen, die sich von organi­schen Materia­lien ernähren. Auf der Kompos­tie­rungs­an­lage erfüllt der Radlader eine wichtige Rolle, um diese Prozesse anzustoßen. Der Fahrer setzt die Mieten nicht nur auf, sondern er schichtet sie in regel­mä­ßigen Abständen auch um.

So gewähr­leisten wir, dass das Rotte­ma­te­rial immer wieder gut belüftet wird. Die Mikro­or­ga­nismen brauchen diese Luft, damit sie das Rottegut ab- und umbauen können. Insgesamt bewegen wir die Mieten vier‑, fünfmal“, erklärt Wolfgang Rubach. Auch die richtige Tempe­ratur ist wichtig. „Da drinnen herrschen immer um die 60 Grad Celsius. Das ist heiß genug, um das Rottegut zu hygie­ni­sieren und unerwünschte Keime abzuwehren.“

Herbst­zeit ist Laubzeit

Wie der Bioabfall landet auch der öffent­liche und private Baum- und Strauch­schnitt, schön geschred­dert, in den Mieten. „Auch das ist unsere Aufgabe: für ein gutes Verhältnis zwischen Grün- und Bioab­fällen zu sorgen, um die Umwand­lungs­pro­zesse zu beschleu­nigen.“ Kurzum: Das WAS-Team setzt alle Hebel in Bewegung, damit sich die kleinen Lebewesen wohlfühlen und ihren Job auf der Kompos­tie­rungs­an­lage machen.

Die Sieban­lage

Ist der Kompost jetzt fertig? Fast. Er wird noch durch die Sieban­lage geschickt, um Stören­friede aus dem Weg zu räumen. Die Anlage schafft es, neben holziger Biomasse auch große und kleine Verun­rei­ni­gungen zu entfernen. Im Siebüber­lauf findet sich dann all das, was eigent­lich nicht in die Biotonne gehört: Glas, Kronkorken & Co. Die verhält­nis­mäßig größten unerwünschten Gäste haben Wolfgang Rubach und seine Kollegen schon vorher aussor­tiert. Mit der Hand. „Da sind dann auch mal ein Gummi­stiefel oder ein Kissen dabei.“

In der Sieban­lage werden Stören­friede wie Glas, Kronkorken Co. aussortiert.

© WMG, Foto Thomas Koschel

Die Störstoffe bereiten Wolfgang Rubach Sorgen – auch die unzäh­ligen Plastik­tüten, die gemeinsam mit den Bioab­fällen achtlos in die Tonne geworfen werden. Nicht nur, dass Kunst­stoffe auf der Kompos­tie­rungs­an­lage nichts verloren haben. Sie verur­sa­chen auch ein großes Problem. Keine Abfall­technik der Welt ist imstande, kleine Mikro­plas­tik­teil­chen auszu­sieben – weswegen sie in die Umwelt gelangen und ihr schaden.

Steht das System der Biotonne auf der Kippe?

Ganz so weit ist es nicht. Fakt ist, dass die Anfor­de­rungen an die Kompos­tie­rung mehr und mehr steigen – auch durch die Reform der Dünge­ver­ord­nung des Bundes­mi­nis­te­riums für Ernährung, Landwirt­schaft und Verbrau­cher­schutz im vergan­genen Jahr. Sie verschärft die Vorgaben für die Kompost­an­lagen und auch für die Landwirte, was sie auf den Feldern ausbringen dürfen und was nicht.

Zwar weiß man noch nicht, was Plastik­par­tikel Mensch und Umwelt anhaben können. Doch der gesunde Menschen­ver­stand lässt nur diesen Schluss zu: „Plastik­tüten gehören nicht in die Biotonne“, lautet der Appell von Wolfgang Rubach, „seid bitte sorgfäl­tiger beim Trennen.“ Fast fünf Prozent der Gesamt­menge beträgt der Siebüber­lauf. Da sich jede Menge Holz darin findet, geht dieses Material an Biomas­se­heiz­kraft­werke, in denen es verstromt wird.

Hochwer­tiger Kompost

Fast vier Monate nach Anlie­fe­rung des Bioab­falls ist das Werk vollbracht: hochwer­tiger Kompost. Als Frisch­kom­post, der sich noch in einer frühen Entwick­lungs­phase befindet, verwenden ihn die die Bauern in der Region; als ausge­reifter Fertig­kom­post ist er ein gefragtes Material für das Grün der Wolfs­burger Hobbygärtner.

Wolfgang Rubach hat alle Zahlen parat. „Für die Privat­leute produ­zieren wir 5.000 Säcke im Jahr – das sind zwei Prozent der gesamten Kompost­menge. Etwa ein Drittel des Komposts wird lose im Garten- und Landschaftsbau und im privaten Garten­be­reich einge­setzt. Der Rest ist für die Landwirt­schaft und landet auf den Feldern.“ 

Wie viel Kompost­erde bringt die Wolfs­burger Anlage durch die Kunst der Kompos­tie­rung zu Wege? „Insgesamt sind es etwa 6.000 Tonnen jährlich.“ Die Qualität, meint er, sei spitze: Der Kompost aus Wolfsburg ist ausge­zeichnet mit dem RAL-Gütezei­chen Kompost durch die Bundes­gü­te­ge­mein­schaft Kompost.

Mal kurz nachgerechnet

Kompost und Siebüber­lauf wiegen zusammen knapp 7.000 Tonnen. Wohin ist denn dann der Löwen­an­teil des 17.500 Tonnen schweren Bioab­falls verschwunden? 

Genau das ist das Wesen der Kompos­tie­rung: der Masse­ver­lust“, erklärt Wolfgang Rubach. Er zeigt auf die Rotten­miete, die der Radlader gerade erst aufge­türmt hat und dann auf die Miete, die bereits seit einigen Wochen auf der Anlage zu Hause ist. Die eine ist viel größer als die andere.

Jetzt im Herbst lässt sich dieses Phänomen hervor­ra­gend beobachten. Während der Umwand­lung von Bioabfall in Kompost werden Kohlen­di­oxid und Wasser freige­setzt. Frühmor­gens, wenn es kalt ist, wabert über den Rotten dicker Nebel, weil das Wasser aus der Luft konden­siert „Mit der Zeit büßen die Rotten­mieten immer mehr Masse ein. Der Verlust kann bis zu 60 Prozent betragen.“

Wolfgang Rubach gefällt sein Aufga­ben­be­reich. Viele Leute würden Abfällen ja lieber aus dem Weg gehen – er nicht. Und auch nicht die Störche, Rotmilane und Bussarde, die sich auf der Wolfs­burger Kompos­tie­rungs­an­lage ziemlich prächtig fühlen. „Anstatt den Bioabfall zu entsorgen, führen wir ihn in den natür­li­chen Stoff­kreis­lauf zurück. Das ist das Urprinzip von Recycling und eine sehr sinnvolle Aufgabe.“ 

Alle Jahre wieder…

…tragen wir im Januar die ausge­dienten Weihnachts­bäume aus dem Wohnzimmer, um sie am Straßen­rand abzulegen und ihnen Lebewohl zu sagen. Die Wolfs­burger Abfall­wirt­schaft und Straßen­rei­ni­gung nimmt sich ihrer an und bringt sie zur Wolfs­burger Kompos­tie­rungs­an­lage. Hier bietet sich dann ein imposantes Bild: riesige Berge aus Tannen­bäumen, wohin man blickt.

Würde man alle Wolfs­burger Weihnachts­bäume wiegen, brächten sie 120 Tonnen auf die Waage. Auf der Kompos­tie­rungs­an­lage finden die Nordmann­tannen ihre letzte Ruhe? Mitnichten. Sie sind ein begehrtes Material und gehen in die thermi­sche Verwer­tung. Geschred­dert reicht die WAS die Bäume weiter, damit Strom- und Fernwär­me­pro­du­zenten sie als Brenn­stoff nutzen können.

Stefan Boysen

Fundstück aus dem Bürger­ma­gazin Ausgabe 8, 2018

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Beitrags­bild: © WMG

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