Auf die Steckenpferde, fertig, los!
Geflochtene Mähnen, glitzerndes Zaumzeug, Hindernisse und … Steckenpferde? Das gibt es beim Hobby Horsing – Reiten ganz ohne echte Pferde, aber mit genauso viel Bewegung und Spaß.
Hobby Horsing ist eine neue Trendsportart, bei der Gymnastikelemente mit Bewegungsabläufen ähnlich denen beim Spring- und Dressurreiten kombiniert werden. Anders als im klassischen Reitsport kommen hier jedoch keine echten Pferde zum Einsatz. Stattdessen nutzen die Sportler und Sportlerinnen Steckenpferde. Was auf den ersten Blick lustig und nach nicht mehr als kindlichem Spiel aussieht, erweist sich bei näherem Hinschauen als herausfordernde Sportart mit vielen Vorzügen.
Das ist den Menschen in Finnland, wo die Sportart ihren Ursprung hat, schon lange klar. Hobby Horsing wird hauptsächlich von Mädchen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren ausgeübt. Aber natürlich gibt es auch Jungs und Erwachsene, die sich an diesen ausgefallenen Sport herantrauen.
Wie im Reitsport mit echten Pferden gibt es auch beim Hobby Horsing Turniere, bei denen die Reiterinnen und Reiter mit ihren Steckenpferden in verschiedenen Disziplinen gegen einander antreten.
In Deutschland fasst Hobby Horsing in den letzten Jahren langsam Fuß. Im Raum rund um Wolfsburg ist die Kindersportschule des VfB Fallersleben aktuell noch die einzige Anlaufstelle für Hobby Horsing, verrät Carolin, eine der Trainerin der beiden Wolfsburger Trainingsgruppen. In der Sporthalle in Westhagen trainieren rund 16 Mädchen im Alter von 6 bis 12 Jahren wöchentlich eine Stunde die verschiedenen Disziplinen des Hobby Horsings.
Als die ersten Reiterinnen in die Halle kommen sind schon die Hindernisse und Parcours bereits aufgebaut. Anders als sonst trainieren die beiden Gruppen, die normalerweise nach Alter aufgeteilt sind, heute zusammen. Da ist die Aufregung gleich doppelt so groß!
Einige der Mädchen bringen ihre eigenen Steckenpferde mit, andere suchen sich zu Beginn jeder Stunde eins aus der Sammlung des VfB aus. Sofort merkt man, dass die Steckenpferde nicht nur Spielzeug oder Trainingsgerät sind, sondern damit auch eine ganze Menge Wissen verbunden ist – wie wird die Mähne eines Pferdes geflochten, wie heißen die verschiedenen Fellfarben oder wie lauten die Bezeichnungen für die verschiedenen Körperteile des Pferdes. Dass die eine einen Schimmel und die andere einen Apfelschimmel hat, klären zwei kleine Reiterinnen zu Beginn der Stunde ganz schnell.
Nach der Begrüßung, bei der alle zunächst den Namen ihres Pferdes nennen dürfen, startet das Aufwärmen. Wie man es von anderen Sportarten kennt, geht es mit lockerem Warmlaufen los. Dann geht es mit klassischen Dehn- und Koordinationsübungen weiter.
Der einzige Unterschied ist, Tempowechsel werden hier mit den Begriffen Schritt, Trap und Galopp angesagt. Beim Dehnen wird darauf geachtet, dass die Kinder die Zehenspitzen strecken, damit die verschiedenen Gangarten nachher wie bei einem echten Pferd elegant aussehen.
Trainerin Carolin reitet selber und ist eher durch Zufall beim Hobby Horsing gelandet. Sie weiß, um die Ähnlichkeiten zwischen Reiten und Hobby Horsing.
Beim Hobby Horsing ist es das gleiche wie beim Reiten, nur halt ohne Pferd. Da gibt es Parallelen.
Hobby Horsing-Trainerin Carolin
So achtet sie zum Beispiel, auf die Haltung der Reiterinnen oder darauf in welcher Hand die Mädchen die Zügel halten, abhängig davon auf welcher Hand – ob sie im oder gegen den Uhrzeigersinn gehen – die Reiterinnen sich gerade befinden. Auch Hufschlagfiguren zu kennen, die fachlichen Anweisungen der Trainerin zu verstehen, sind wichtig Fähigkeiten, die die Kinder lernen – genauso wie beim Reiten mit Pferden. „Deshalb denke ich“, verrät Carolin, „ist Hobby Horsing eine großartige Vorbereitung auf das Reiten.“
Gleichzeitig ist Hobby Horsing eine gute Alternative für alle Pferdebegeisterten, die sich den teuren Reitsport nicht leisten können. Lediglich ein Trostpflaster ist es aber nicht. Trotz vieler Parallelen ist es ein eigener Sport, der Körpergefühl und Konzentration verlangt und den Reiterinnen und Reitern auf eigenes Weise Spaß macht. Einige der Mädchen der VfB-Trainingsgruppe nehmen Reitstunden oder haben sogar ein eigenes Pferd und kommen dennoch jede Woche zum Hobby Horsing.
Normalerweise trainieren die beiden Gruppen hauptsächlich Springen und Dressur. Bei den Kleineren von 6 bis 8 Jahren steht dabei der spielerische Aspekt besonders im Fokus, erklärt Carolin. Da die beiden Gruppen heute gemeinsam trainieren, wird beides kurzerhand bei den Mounted Games kombiniert.
Dabei handelt es sich wie im Reitsport um ein Staffelrennen, bei dem verschiedene Aufgaben absolviert werden müssen. Dabei geht es um Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Konzentration.
Zu Anfang geht es über am Boden liegende Stangen, doch nicht einfach irgendwie, sondern in den verschiedenen Gangarten der Pferde.
Dafür braucht man Konzentration und Körpergefühl. Schritt ähnelt dem normalen Gehen des Menschen. Traben ist mit dem Bewegungsablauf des Joggens vergleichbar. Jedoch ist es bei beiden Gangarten wichtig, dass die gestreckten Fußspitzen zuerst den Boden berühren.
Beim Galoppieren macht man viele kleine Hüpfer hintereinander, bei denen nie beide Füße gleichzeitig den Boden berühren. Gar nicht so leicht, besonders wenn man dann auch noch zwischen den verschiedenen Gangarten hin und her wechseln und gleichzeitig einen Parcours durchlaufen muss!
Im Anschluss absolvieren die Reiterinnen des VfB in zwei Teams einen Slalomlauf und fädeln dabei leere Klorollen auf die Slalomstangen. Das ist gar nicht so einfach mit einer Hand am Steckenpferd und unter den Anfeuerungsrufen der anderen.
Zum Abschluss geht es nochmal an die Lieblingsdisziplin der Mädels: das Springen!
Die Hürden sehen aus wie kleine Versionen der Hindernisse, die auch beim Reiten mit echten Pferden verwendet werden. Und wie beim Reiten mit den Vierbeinern fällt auch hier die ein oder andere Stange nach einem zu ambitionierten Sprung zu Boden. Doch davon lässt niemand entmutigen. Denn wenn es hier für die Kinder um eins geht, dann um Spaß an der Bewegung. „Das Gute ist, dass man so fit ist und nicht immer nur Zuhause rumhängt“, erklärt Maylien. Luisa stimmt ihrer Teamkollegin zu: „Es ist toll, dass man sich so viel bewegt und immer höher springt.“
Es ist unglaublich, wie Hobby Horsing die Kinder motiviert sich zu bewegen. Das ist das eigentlich Faszinierende.
Hobby Horsing-Trainerin Carolin
Gesagt, getan! Kurzerhand wird für die großen Mädels aus Agility-Stäben noch ein höheres Hindernis gebaut. Denn die im Design dem Reitsport nachempfundenen Hindernisse sind für manche der erfahrenen Springreiterinnen schon fast zu klein.
Die ältere Gruppe ab 8 Jahren springt über bis zu einem Meter hohe Hindernisse, berichtete Reiterin Hannah stolz.
Auch wenn man als Zuschauer kurz zusammenzuckt, wenn sie auf die Hindernisse zu galoppieren, die ihnen fast bist zur Brust gehen, die Hobby Horserinnen scheinen keine Angst zu haben und echten mit beeindruckenden Sprüngen über die Hindernisse. Kaum zu glauben, dass das machbar ist!
Interessierte können sich auf der Homepage des VfB Fallerlseben unter der Rubrik Kindersportschule zu dem Kurs anmelden oder sich bei Fragen an kindersportschule@vfb-fallersleben.de wenden.
Bilder: © WMG Wolfsburg
Antonia Müller
02/2024