Vom Glücksbringer zum Sorgenvogel
Ein gepflegtes Haus mit weißer Fassade, bis sie kamen: Die Schwalben! … (Fortsetzung folgt)
Während immer mehr Wolfsburger Hausbesitzer aus Angst vor Verschmutzung die Nester der Mehlschwalben zerstören, verschließen besorgte Bauern in der Region den Rauchschwalben ihre Ställe, um vermeintlichen Hygieneanforderungen gerecht zu werden. Dabei gefährden die Flugakrobaten weder unsere Gesundheit noch die Lebensmittelsicherheit, wie mir Rita Deiders, die Naturschutzbeauftragte des Heimatverein Vorsfelde, erzählt.
Die einst als Glücksbringer bekannten Tiere sind zu den Sorgenvögeln des Naturschutzes geworden. Da die Bestände der Schwalben zunehmend bedroht sind, engagiert sich der NABU in Wolfsburg für den Erhalt und den Schutz der Schwalben.
Rita Deiders ist in der NABU-Kreisgruppe Wolfsburg für den Schwalbenschutz zuständig. Ich besuche sie, ihren Mann und ihre aktuell 6 Brutpaar-Rauchschwalben in Vorsfelde. Vom Wohnhaus und dem nahegelegenen Schuppen kommt mir schon das Gezwitscher entgegen. Beim Blick in die Scheune bin ich erstaunt, noch auf einen weiteren Bewohner zu stoßen: Eine verschmuste Fellnase, die sich mit den Schwalben, Fledermäusen und Hühnern seit Jahren in Freundschaft die Scheune und den angrenzenden Garten teilt.
Schwalben sind nicht nur schöne Vögel, sondern auch wichtige Indikatoren für die Gesundheit unserer Umwelt. Ihre Anwesenheit deutet auf ein intaktes Ökosystem hin, in dem genügend Nahrung und sauberes Wasser vorhanden sind.
Rita Deiders
Und dafür sorgen Rita und ihr Mann. In ihrem Naturgarten wimmelt es von Insekten, die durch die vielen blühenden Pflanzen und die angelegten Wasseroasen angelockt werden und den Schwalben ausreichend Nahrung bieten.
Aber Rita und ihr Mann engagieren sich nicht nur im heimischen Garten für die Schwalben in Wolfsburg.
Die Schwalbenpopulationen sind rückläufig, da ihre natürlichen Brutplätze, wie Lehmnester unter Dachvorsprüngen, immer seltener zu finden sind. Um diesem Rückgang entgegenzuwirken, hat sich der NABU in Wolfsburg zur Aufgabe gemacht, Schwalbennester zu erfassen und zu schützen.
Rita verfolgt ehrenamtlich diese Bestandsentwicklung. Sie dokumentiert gemeldete Nester und hält die Augen nach neuen Nestern offen. Jährlich, im August, wird bei den Wolfsburger Schwalbenfreunden nachgefragt, und aus den gemeldeten Daten werden Rückschlüsse über die Entwicklung gezogen. So kann sie erkennen, wo Brutplätze vernichtet wurden und wo neue Möglichkeiten für Schwalben entstanden sind.
Die Entwicklung der Populationen ist nicht nur in Wolfsburg stark rückläufig, sondern weltweit kämpfen die Tiere ums Überleben. Brutplätze sind nicht mehr vorhanden, weil alte Gebäude abgerissen werden und neue pflegeleicht sein sollen. Ihre Hauptnahrung, die Insekten, werden immer weniger. Hinzu kommt der Vogelmord durch Fangnetze in Nordafrika, Malta und Zypern.
Rita Deiders
Rita Deiders erzählt, dass sie vor kurzem nach Kästorf gerufen wurde, um vor Ort zwei Familien zu beraten, die künstliche Nisthilfen an ihren Häusern anbringen möchten. Damit diese auch von den Schwalben bezogen werden, ist es wichtig auch eine schwalbenfreundliche Umgebung zu schaffen. „Jede Wolfsburgerin und jeder Wolfsburger kann einen Beitrag leisten, denn nur gemeinsam können wir den Schwalben und vielen anderen Tieren eine sichere und lebenswerte Zukunft bieten.“
Auch Landwirt Heinrich Schmidt aus Barnstorf setzt sich für die gefiederten Freunde ein, öffnet für sie seinen ehemaligen Schaf- und Pferdestall und sorgt regelmäßig für frische Lehmpfützen. Dafür wurde er, bzw. sein Haus, auch als „Schwalbenfreundliches Haus“ mit der NABU-Plakette geehrt.
Indem wir uns gemeinsam für eine schwalbenfreundliche Umgebung einsetzen, können wir den Rückgang dieser bedrohten Tierart stoppen und ihr Fortbestehen sichern. Jeder einzelne Beitrag zählt und trägt dazu bei, unsere Naturvielfalt zu bewahren.
Übrigens: Schwalben sind nach §44 Bundesnaturschutzgesetz geschützt! Das zerstören von Schwalbennestern stellt deshalb eine Straftat dar – während, aber auch außerhalb der Brutzeit.
Möchtest du auch den Schwalben unter die Flügel greifen, dich als „Schwalbenfreundliches Haus“ auszeichnen, über eine schwalbenfreundliche Umgebung beraten lassen oder Schwalbennester melden, dann kontaktiere gern Rita Deiders unter:
Tel.: 05363 740 21
E‑Mail: charlie.dett@web.de
… (Fortsetzung): Nachdem wir den ersten Schreck über die verschmutzte Hauswand überwunden hatten, erleben wir bereits den zweiten Sommer mit unseren Mehlschwalben und wir haben die Tipps vom NABU umgesetzt: Wo es möglich ist, sind unter den Nestern am Boden Büsche gepflanzt, die sich über den Dünger von oben freuen. Kotbretter unter den Nestern verhindern, dass die Fassade schmutzig wird. Und wenn dann doch einmal bei der Erweiterung der bestehenden Nester etwas daneben geht, hilft ein Schwamm oder ein Klecks Farbe. Schwalben sind brutplatztreue Vögel, die, nach ihrer anstrengenden Reise aus dem Süden, in ihre alten Nester zurückkehren. Darum ist es umso wichtiger, die Nester auch hängen zu lassen, wenn diese in den Wintermonaten unbewohnt sind.
Titelbild von Reinhold Wagner
Jasmin Guss
07/2023