Vom Keller in den Chefsessel: Andreas Plate rückte im September 2021 für den in den Ruhestand getretenen Frank Rauschenbach als Geschäftsführer des Kulturzentrums „Hallenbad am Schachtweg“ nach. Ein alter Hase, der schon zu Zeiten des Jugendzentrums „Kaschpa“ nicht nur im Hintergrund seine Fäden zog. Der 53-jährige Familienvater erzählt von seinen Bands, seiner Kaschpa-Geschichte und dass er jeden Wolfsburger einmal im Kulturzentrum Hallenbad wissen möchte.
Plate kann auf eine lange Biografie im Hallenbad zurückblicken. 1986 kam er als Abiturient in die am Schwimmbad eingerichtete Vorläufereinrichtung, das „Zentrum für Kinder und Jugendliche“: „Ich bin zunächst als interessierter Subkulturbesucher hergekommen, habe mich für Tontechnik interessiert und bin direkt im Tonstudio gelandet.“ Dort nahm er „hunderte Tapes“ zumeist lokaler Bands auf und prägte den Sound der Stadt, darunter auch „Nuit d‘Or“ der Rockgruppe Grass Harp. Kurz darauf wanderte deren Schlagzeuger aus: „Die waren auf der Suche, ich hatte ein Tonstudio, da hatten sie keine Wahl“, lacht Plate. „Seitdem sind wir in einer festen Beziehung – 30 Jahre.“
Die Bühne ist Plates Lebensraum. Schon als Siebenjähriger errichtete er im Wäschekeller seines Detmeroder Elternhauses eine Puppenbühne: „Leuten etwas darbieten, was sie glücklich macht, ist mein Ding.“ Das setzte er mit seiner ersten Band Psychic Toys an der Gitarre fort, die übrigens heute in seinem alten Büro im Hallenbad hängt und die er ebenso autodidaktisch lernte wie das Schlagzeug in der Schulband Ludwig van Projekt, mit der er Beethovens Neunte verrockte. Als beide Bands auseinanderfielen, kam Grass Harp genau richtig.
Im Jugendzentrum, das angelehnt an einen Stammgast bald Kaschpa hieß, trat Plate der Konzertgruppe bei: „Ich habe den Bedarf an Rockbürotätigkeiten gesehen – meine Nische, um von der Musik leben zu können.“ So geschah es: Im Sinne der Nachwuchsförderung baute er einen lokalen Bandpool auf, als dessen „Nebenprodukt“, so Plate, das Festival Wolfsburg Open von 1994 bis 2006 am Schloss stattfand und das 2012 konzeptionell in das Format Rock im Allerpark überging.
Als Aushilfsschlagzeuger bei den Trottelkackern sowie auf Tour mit den Bonner Präservativen und mit Grass Harp lernte Plate zudem, was Musiker nicht brauchen: einen Schlafplatz auf dem Boden, nur Pommes als Catering oder ausschließlich Bier – eine Erfahrung, von der die Künstler im Hallenbad profitieren. 2002 stieg der Schlagzeuger bei Müller & die Platemeiercombo ein, die er 2016 verließ, um sich intensiver seiner Familie zu widmen.
Als das Schwimmbad neben dem Kaschpa 2002 den Betrieb einstellte, warf auch Plate seine Ideen in den Ring, wie man das Gebäude umnutzen könnte. Die Politik beriet, nickte ab und eröffnete am 20. April 2007 das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“: Im alten Kaschpa residiert nun das Kino, im Café ZAKK der VReiRaum des „Youth & Culture“-Bereichs, in der Spielbutze der Sauna-Klub, Tonstudio und Proberäume finden sich nach wie vor im Keller, zusätzlich dient das alte Nichtschwimmerbecken nun als Bühne, neu ist auch das Lido-Restaurant mit Biergarten.
Plate erlebte den Neustart als Technischer Leiter, Ausbilder, Bereichsleiter Musik, Booker, Brandschutzbeauftragter und Prokurist. „In einem Laden wie diesem muss man immer ein bisschen alles können“, sagt er. „Ich habe auch alles gemacht: Tickets abreißen, Handtücher besorgen, nachts zum Edeka und Wodka für Künstler kaufen.“
Rauschenbach hinterlässt Plate „eine hervorragende Einrichtung mit absolut oberinteressanten Inhalten und sehr bunt gemischtem internationalen Team“, schwärmt der neue Chef. Er hebt Rauschenbachs Mut zum Risiko hervor, sich bei strittigen Programmpunkten auf das Wort seiner Mitarbeiter zu verlassen, und will diese Risikobereitschaft ebenfalls leben.
Auf den Weg zu noch mehr Professionalität möchte er sein 28-köpfiges Team mitnehmen, das er warmherzig als „Familie“ bezeichnet. Darüber hinaus will er das Hallenbad überregional bekannter machen, Rock im Allerpark fortsetzen, das Programmkino fortführen, sich lokal mit Bands enger vernetzen. Und er hat ein spezielles Ziel: „Dass jeder Wolfsburger einmal im Hallenbad gewesen ist.“ Noch heute kämen Leute mit Badesachen in der Tasche in das Kulturzentrum, und Plate staunt: „Im 15. Jahr!“
Matthias Bosenick