Kirchenfenster
Was so alles bunt ist in dieser Stadt – im übertragenen wie auch im buchstäblichen Sinn: Kirchenfenster zum Beispiel. Sie erleuchten nicht nur farbenfroh, sondern auch mit den Geschichten, die sie erzählen: wie die Kirchenfenster der evangelischen St. Annen Kirche in Heßlingen oder die der ehemalige katholischen St. Heinrichskirche am Rabenberg.
Ehemalige katholische St. Heinrichskirche am Rabenberg
Sie reiht sich unscheinbar ein in die gerade, schlichte Reihenhausarchitektur, die ihre Nachbarstraßen am Rabenberg kennzeichnen: die ehemalige St. Heinrichskirche.
Dem geschulten Betrachter fällt durchaus bereits etwas Unverkennbares auf, wenn er die Kirche von außen in Augenschein nimmt: Ihr Architekt Peter Koller hat bei der Planung des Gebäudes eine Krone vor Augen gehabt – und zwar die Krone von Heinrich II., der sich von 1002 bis 1024 als deutscher Kaiser politisch und gesellschaftlich in all seinem Handeln als Christ positioniert hat. Wer die ehemalige Kirche dann betritt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Ein unerwartet prachtvolles Farbenspiel lässt die Fenster und den gesamten Innenraum erstrahlen. Hohe, lichte Fenster, die über das Dach heraus reichen, verleihen dem Raum diesen besonderen Effekt.
Die 1978 eingebauten Buntglasfenster gleichen Ähren, verdeutlichen die Zacken der Krone. Ähren zu Ehren eines anderen Königs, der „das Brot des Lebens ist“, weiß Thomas Hoffmann (Pfarrer der Pfarrei St. Christophorus, zu der auch St. Heinrich gehörte und gleichzeitig Dechant des Dekanates Wolfsburg) treffend eine Stelle aus dem Johannes-Evangelium zu zitieren.
Heute ist die ehemalige Kirche eine Veranstaltungslocation und kann für freie Trauungen, Hochzeiten, Geburtstage, Konzerte und Firmenevents gebucht werden.
St. Annen Kirche in Hesslingen
„Hier lasse ich gerne das Licht aus“, grüßt Pastor Frank Morgner, der schon im Kircheninnern der St. Annen Kirche wartet. Und richtig: im Dämmerlicht kommt die Strahlkraft der kleinen, feinen Fenster in dieser winzigen Kirche, die sicher mit 40 Besucher*innen schon zum Bersten voll ist, so richtig zur Geltung.
Fast fühlt man sich zurück versetzt in mittelalterliche Zeiten, ins 14. Jahrhundert, damals als Wolfsburg noch Wluesborch hieß. Neben Schloss Wolfsburg ist die St. Annen Kirche nämlich eines der ältesten Gebäude, am Rande des Kerns von „Alt-Wolfsburg“, dem ehemaligen Gutsbetrieb der Wolfsburg, gelegen.
Heimelig und herzlich empfangen – dank warmem Licht, das die Dunkelheit durchdringt: Ob wohl die Menschen damals die St. Annen Kirche so wahrgenommen haben, als sie ihre Kirche betraten? Weit gefehlt: „Auch wenn sie romanisch scheinen: Diese farbigen Kirchenfenster wurden erst in den 50er Jahren im Rahmen eines umfassenden Umbaus eingesetzt“, weiß Pastor Morgner zu berichten.
Pastor Bammel, dem Gründer des Diakonischen Werkes in Wolfsburg, ist es in weiten Teilen zu verdanken, dass in der St. Annen Kirche heute wieder Gottesdienste gefeiert und Konzerte gegeben werden: Er hatte die Sanierung in Auftrag gegeben. Sie trägt auch maßgeblich seine Handschrift, insbesondere bei den sechs Kirchenfenstern, deren Themen der Pastor vorgab.
Sie erzählen die zentralen christlichen Geschichten – vom Sündenfall über die Kreuzigung und die Auferstehung, das Pfingstwunder, die Ausgießung und die Früchte des Heiligen Geistes. „Dieses eine Fenster, die Werke der Barmherzigkeit, die Früchte des Heiligen Geistes, spiegelt letztlich die diakonische Arbeit von Pastor Bammel wieder“, erläutert Morgner und ergänzt: „Mit diesen Bildern kann man predigen. Regelmäßig gehen wir mit den Kindergartenkinder oder auch Konfirmanden hierher und lassen sie die Geschichten entdecken.“
In den letzten Jahren werden in der St. Annenkirche nur die großen Feste begangen – Weihnachten, die Sommerkirche, auch mal eine Taufe, Hochzeiten oder eben Beerdigungen, weil die St. Annen Kirche auf dem Gelände des Hesslinger Friedhofs liegt.
SRB / JGK
Fundstück aus der zweiten Ausgabe Dein Wolfsburg 2015 überarbeitet 02/2024
Beitragsbild: Kirchenfenster der St. Annen-Kirche © WMG, Foto Sebastian Dorbritz