Exponat FrauenORT Totalansicht: Das Exponat über Sibylle von Schieszl in der Gesamtansicht

Das bewegte Leben der Sibylle von Schieszl (1918‒2010)

frauen­ORTE ist eine nieder­säch­si­sche Initia­tive, die histo­ri­sche Frauen­per­sön­lich­keiten vorstellt und dabei deren Erfolgs­storys in den Mittel­punkt der Geschichts­schrei­bung stellt. Ein solcher frauenORT befindet sich im phaeno, der im Rahmen einer Führung der Wolfs­burger Tourist-Info besucht wird.

Die Führung widmet sich einer beson­deren Frau: Sibylle von Schieszl (Frauen. Bewegen. Wolfsburg – siehe Link unten). Sie war die erste Managerin bei der Volks­wagen AG, und zwar im natur­wis­sen­schaft­li­chen Bereich. Das ist schon einen Spazier­gang wert. Zur Einstim­mung hier ein Blick auf ihren selbst­be­wussten und mutigen Weg.

Eine Frau setzt sich durch

Sibylle von Schieszl wurde 1918 als Tochter von Martha und Walther Schieck, übrigens der letzte sächsi­sche Minis­ter­prä­si­dent vor der Macht­er­grei­fung, in Dresden geboren. Ihre Eltern erzogen sie zu kriti­schem Denken, dem sie stets treu blieb. Von 1940 bis 1943 studierte sie Techni­sche Physik an der TH Dresden, wo sie ihren späteren Ehemann Karl Theodor Schieszl von Buda kennen­lernte. Die beiden heira­teten 1944 und bekamen eine Tochter.

Kriegs­be­dingt befand sich ihr Mann bis 1949 in Gefan­gen­schaft, trotzdem gelang es ihr, als allein­er­zie­hende Mutter im Jahr 1948 zum Dr.-Ing. zu promo­vieren. Ihre Doktor­ar­beit trug den Titel „Versuche zur Klärung der Gültig­keits­grenze der Hydro­dy­namik in dünnen Schmier­öl­schichten“. Damals war ihre Tochter gerade einmal drei Jahre alt. Hier zeigt sich Schieszls starker Wille, sich als Frau und Wissen­schaft­lerin in einer Männer­ge­sell­schaft durchzusetzen.

Mutiger Einsatz mit Folgen

Die Familie von Schieszl flüchtete 1952 nach West-Berlin, nachdem Sibylle mehrere Studenten vor einer Verhaf­tung gewarnt hatte. Die folgende Geschichte zeigt ihren Mut in einer sich drastisch zuspit­zenden politi­schen Situation. Das Ereignis hätte sicher­lich, wäre die Protago­nistin ein Mann gewesen, diesen zum Helden werden lassen.

Sibylle von Schieszls Professor erhielt 1952 in seiner Funktion als Prorektor eine Liste mit rund 20 Studenten, die verhaftet werden sollten. Aufgrund seiner Position war er davon überzeugt, nichts für die Studenten tun zu können, und gab die Liste Sibylle von Schieszl. Ihr war sofort klar, dass sie die DDR werde verlassen müssen, würde sie die Studenten warnen. Also weihte sie ihren Mann ein und warnte danach die Studenten. Von Schieszls verließen daraufhin mit der 7‑jährigen Tochter die DDR und ließen sich im Westen nieder.

Sibylle von Schieszl steigt auf

Nach einem Aufent­halt in Mannheim arbeitet von Schieszl ab 1956 bei VW und baute 1966 die Abteilung „Zentrale Schadenser­mitt­lung“ auf, deren Leitung sie 1970 übernahm. 1972 stieg sie zur Haupt­ab­tei­lungs­lei­terin der „Quali­täts­för­de­rung“ auf und war damit die erste Frau überhaupt in einer leitenden Funktion bei der Volks­wagen AG. Sie engagierte sich bis zu ihrer Pensio­nie­rung 1979 für ein aktives Quali­täts­ma­nage­ment und war damit in der gesamten Automo­bil­branche anerkannt. Das zu ihrer beruf­li­chen Geschichte.

Von ihr stammen folgende zugleich analy­ti­schen und mutigen Worte, die sie auf einer Manage­ment­ver­samm­lung im Jahr 1976 sprach:

Wer Manager haben will, d. h. nicht Leute, die dem Herzin­farkt zueilen, kein Famili­en­leben mehr ertragen und durch die Angst vor dem Macht­ver­lust getrieben werden, sondern Männer (oder Frauen), die den Blick für das Neuartige, das Machbare und das Weiter­füh­rende haben, Dinge in Gang setzen …, die soll man nicht wie Klein­kinder behandeln.“

Dieser auch heute noch zutref­fende Satz zeigt von Schieszls Führungs­per­sön­lich­keit und unbeug­samen Willen.

Experi­men­tier­sta­tion im phaeno

Nun zurück zum erwähnten Science Center phaeno, das der Wissen­schaft­lerin einen frauenORT widmet. Was ist dort zu sehen? Neben der Infotafel über Sibylle von Schieszl – in der sich übrigens passen­der­weise die vier Türme von VW spiegeln – sind zwei Stationen auszu­pro­bieren: ein Luftblasen-Visko­si­meter und das Exponat „Wie gut klebt Öl?“ Mehr wird nicht verraten …

B. Mäkeler

Der frauenORT Nieder­sachsen in Wolfsburg ist eine Initia­tive des Landes­frau­en­rats Nieder­sachsen e. V. in Koope­ra­tion mit dem Gleich­stel­lungs­re­ferat der Stadt Wolfsburg, der VW AG, der WMG, dem Science Center phæno und den Sorop­ti­misten (Club Wolfsburg). Weitere Frauen­ORTe in der Umgebung sind hier zu finden: www.frauenorte-niedersachsen.de

Link zu den öffent­li­chen Führungen: https://www.wolfsburg-erleben.de/erleben/was-ist-los-in-wolfsburg/stadtfuehrungen

Titelbild: Exponat FrauenORT Total­an­sicht: Das Exponat über Sibylle von Schieszl in der Gesamt­an­sicht, Foto: B. Mäkeler

05/2023

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