Wie der Maritime Chor Wolfsburg sich neu erfand
Die Geschichte des Maritimen Chors Wolfsburg kann auf vielerlei Arten erzählt werden. Wie gelingt es diesem Chor, sein Publikum so zu begeistern, dass die Veranstaltungshallen unserer Stadt bis auf den letzten Platz gefüllt sind? Warum ruht der Chor sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern sucht immer nach neuen Herausforderungen? Und wie löst der Chor plötzlich all seine Mitgliedersorgen? Die Antwort, und das gilt für alle drei Fragen, liegt in seiner bemerkenswerten Fähigkeit zur Selbsterneuerung.
Es ist Mittwochabend, kurz vor 18 Uhr
In der Vereinsgaststätte des TSV Wolfsburg im Rügener Weg trifft sich der Maritime Chor Wolfsburg zu seiner wöchentlichen Chorprobe, und wir dürfen zu Gast sein. Chorleiter Thomas Bode schwingt schon einmal den imaginären Taktstock. Gitarre und Akkordeon werden ausgepackt. Die Vorfreude auf die Probe steht allen Mitgliedern ins Gesicht geschrieben.
Mitten im Geschehen befinden sich Barbara, Ina, Marlen und Marianne, vier Frauen, die bis vor Kurzem noch nicht Teil des Chors waren. Lange Zeit galt in diesem Chor eine ungeschriebene Regel, dass nur Männer singen dürfen. Doch wie sich die Zeiten ändern können.
Kurz vor Beginn der Probe bitten wir die vier zum Gespräch, stellvertretend für das gute Dutzend Sängerinnen, das den Chor seit einiger Zeit bereichert.
Obwohl es auf See oft rau sein kann, herrscht im Maritimen Chor eine herzliche Atmosphäre. „Es ist hier wirklich ein tolles Klima, und der Chorleiter ist großartig. Wir haben uns von Anfang an wohl gefühlt“, betonen sie. Zuerst mögen einige vielleicht skeptisch gewesen sein, als Frauen dem Chor beitraten. „Doch spätestens nach unserem Einstand hatte auch der letzte seine Vorbehalte überwunden.“
Für alle ist das Singen eine wahre Freude.
Marlens Vater war früher zur See gefahren. Von La Paloma bis Ein Schiff wird kommen – „am Tisch haben wir immer gemeinsam Seemannslieder gesungen“, erzählt sie. Und Barbara sagt: „Wenn ich nach der Probe nach Hause gehe, fühle ich mich absolut gut – und vorm Einschlafen singe ich immer noch den Refrain.“
Lieder auf den Lippen hatten auch all jene, die dem Musical Shantical im Hallenbad oder gemeinsam mit dem Philharmonic Volkswagen Orchestra der Konzertreihe Shanty, Swing & More im Scharoun Theater gelauscht haben. Der Maritime Chor Wolfsburg überzeugt nicht nur mit seinen traditionellen Seemannsliedern, sondern erweitert sein Repertoire stets mit innovativen Crossover-Formaten. Sei es die musikalische Zusammenarbeit mit Partnern aus verschiedenen Genres oder die gekonnte Verbindung von Musik und Dialog – der Chor trifft nicht nur den richtigen Ton, sondern offensichtlich auch den Geschmack des Publikums. Die Aufführungen sind ausgebucht.
Dass seit diesem Sommer auch Frauen mitsingen dürfen, hat einen einfachen Grund: Der Chor hat so endlich wieder Zuwachs bekommen, und alle Sorgen über schwindende Mitgliederzahlen sind passé. Zumal es sich nun auch besser anhört. „Weil die Frauen unser Stimmlager erweitern, können wir neue Lieder singen“, erklärt Eckart Melchior, Vorsitzender des Maritimen Chors. Die Frauen bringen eine besondere Energie und Leidenschaft mit, die die Motivation der Männer beflügelt. „Wenn die Frauen dabei sind“, sagt er lachend, „reizt uns Männer das, besonders gut zu singen.“
Und das sicherlich auch dann, wenn der Maritime Chor sich das nächste Mal neu erfindet. Große Dinge kündigen sich an – nämlich das Konzert mit der BigBand der TU Braunschweig. Dazu werden gemeinsame Partituren geschrieben. Laut Eckart Melchior dürfen sich die Fans schon jetzt freuen. Die Premiere am 9. Juni 2024 gemeinsam mit dem Swing-Ensemble, betont er, „wird wieder eine ganz neue Geschichte schreiben“.
S. Boysen
Hier geht es zur Website des Maritimer Chor
01/2024