Frontansicht 42Wolfsburg

Program­mier­schule 42Wolfsburg

Rein ins kalte Wasser? Gerne doch!

Anders soll sie sein, modern und innovativ, ja magisch – die Program­mier­schule 42Wolfsburg. Wie ist sie wirklich? Wir haben zwei gefragt, die hier ein und aus gehen: Jonas Subel aus dem zweiten Ausbil­dungs­jahr­gang und Tim Gerdes, der von Tag eins an Schüler der 42Wolfsburg ist. Und das sagen Jonas und Tim zu …

… ihrer Vorliebe fürs Programmieren:

Jonas: Ich bin in der IT-Welt aufge­wachsen. Mein Bruder hat Infor­matik studiert, mein Vater arbeitet für eine Versi­che­rung im IT-Bereich und meine Mutter hat noch elektro­ni­sche Daten­ver­ar­bei­tung gelernt. Deswegen ist es mir wichtig, dass auch ich program­mieren kann. An der TU Braun­schweig hatte ich vorher Verfah­rens­technik im Bachelor und Maschi­nenbau im Master studiert. Ein Uni-Kurs beschäf­tigte sich mit den Grund­lagen des Program­mie­rens – das war mir viel zu wenig. Grund­sätz­lich glaube ich, dass es heutzu­tage niemandem schadet, zumindest ein bisschen program­mieren zu können.

Tim: Als das iPhone gerade einmal fünf Jahre alt war, da hatte ich schon einige App-Ideen. Zuerst habe ich mir Apples Program­mier­sprache Swift selbst beigebracht und nur ein wenig herum­ge­spielt. Später habe ich dann mit ein paar Freunden eine App program­miert und für die Entwick­lung Inves­toren gewonnen. Dann kam Corona, das User-Wachstum stagnierte und wir haben die App mehr oder weniger einge­stampft. Ich habe mir überlegt: Was könnte der nächste Schritt sein? Als ich dann von der 42Wolfsburg hörte, hat mich das Prinzip der Schule sofort angespro­chen – weil ich gut darin bin, mir Dinge selbst­ständig anzueignen.

… ihren ersten Eindrü­cken von der neuen Schulwelt:

Jonas: Gestartet sind wir mit dem mehrwö­chigen Piscine*, um sich mit dem Lernkon­zept vertraut machen zu können. Ich habe jeden Tag elf Stunden program­miert, an den Wochen­enden sogar mehr. Das Piscine ist auch ein Auswahl­ver­fahren: Passt die Schule zu mir? Und passe ich zur Schule? Im Piscine waren so 150, 160 Leute, und einige haben im Anschluss gesagt: Nein, das ist nicht so mein Ding. Die 42Wolfsburg ist ja ein sehr eigen­stän­diges Modell. Es ist reines Peer-Learning (die Schüler lernen mit- und vonein­ander; Anm. d. Red.), es gibt keine Lehrer und Vorle­sungen. Ich komme damit gut klar.

Tim: Im Piscine konnte jeder prüfen, ob er bereit ist zu lernen und lösungs­ori­en­tiert und selbst­ständig zu arbeiten. Es wurde wider­ge­spie­gelt, wie der Schul­alltag und der Job als Program­mierer aussehen. In den Unter­nehmen ist es wie in unserer Schule: Man arbeitet im Team und schickt sich gegen­seitig den Code zu, um ihn zu verbes­sern. Im Piscine hat man einen guten Einblick bekommen, wie die nächsten zehn Jahre aussehen könnten, wenn man diesen Karrie­reweg einschlagen würde. Das hat mich motiviert, die Schule zu besuchen.

… dem Spirit, der an der 42Wolfsburg herrscht: 

Jonas: Man kommt mit vielen verschie­denen Leuten in Kontakt, viel mehr als im Studium. Ich habe gerade viel mit einer Kommi­li­tonin zu tun, die vorher BWL studiert hat, 40 Jahre ist, ein Kind hat – und die nun den Entschluss gefasst hat, das Program­mieren zu lernen. Andere wiederum haben gerade ihr Abitur gemacht. Ein guter Freund von mir kommt aus Trinidad und Tobago und hat eine Ausbil­dung zum Fotografen. Die Schule ist ein großer, bunter Mix, das finde ich supercool.

Tim: Na klar gibt es Leute, die etwas ruhiger sind und sich ab und an in eine Ecke verziehen. Doch alle kommen gut mitein­ander aus. Man merkt sofort, wenn mal jemand mit seinem Projekt Probleme hat. Dann gibt es immer ein, zwei Leute, die gerade etwas Luft haben und helfen. Im Piscine konnten wir Mitschüler nominieren, die die besten Helfer waren – die haben dann eine Auszeich­nung bekommen. Dementspre­chend hat sich dieses Bewusst­sein auf die ganze Schule übertragen.

… den Vorzügen, Schüler der 42Wolfsburg zu sein:

Jonas: Auf mich übt das FabLab der 42Wolfsburg eine große Anzie­hungs­kraft aus. Das ist eine Werkstatt mit Elektronik-Werkbänken, 3D-Drucker, CNC-Fräse und 40-Watt-Laser­cutter. Mit dem Laser fünf Milli­meter dicke Holzplatten durch­zu­schneiden, als wäre das nichts – das macht schon Spaß.

Tim: Am meisten Spaß macht mir, vormit­tags in die Schule reinzu­kommen und sofort mehrere Gruppen von fünf, sechs Leuten zu sehen. Entweder gehe ich in die Küche, um einen Kaffee zu trinken, mich zu unter­halten und langsam warm zu werden. Oder ich lege sofort los: Dann setze ich mich zu den anderen in einen der Meeting-Räume, tausche mit ihnen Erfah­rungen aus und sammle Ideen auf dem White­board, die uns im Projekt weiterbringen.

… dem größten Vorteil, den der Schul­be­such mit sich bringt:

Tim: In den IT-Unter­nehmen ist es so, dass man immer wieder mit neuen Tools oder Konzepten arbeiten muss und nie auslernt – und genau darauf bereitet uns die Schule vor. Projekte dauern nie länger als einen Monat, ständig wechseln die Aufgaben. Später im Job wird sich das als wertvoll erweisen.

… den Heraus­for­de­rungen, die die Program­mier­schule bereithält: 

Jonas: Das franzö­si­sche Wort ‚Piscine’ bedeutet auf Deutsch ‚Schwimmbad’. Man wird wirklich einfach ins kalte Wasser geworfen. Vieles

erarbeitet man sich alleine oder mit den Kommi­li­tonen. Das kann auch dazu führen, dass ein Projekt komplett in die falsche Richtung geht – auch ich musste einmal wieder bei null anfangen.

Tim: Die größte Heraus­for­de­rung ist das Zeitma­nage­ment. Norma­ler­weise gibt es in Schulen feste Unter­richts­blöcke und jeder weiß genau, wann er fertig ist. Die 42Wolfsburg überlässt jedem selbst, wann man kommen und wann gehen will. Es ist die eigene Entschei­dung, eine Woche Pause zu machen oder komplett durch­zu­ar­beiten. Zu Beginn war es nicht einfach, die Projekte voran­zu­bringen, weil man doch recht abgelenkt war – durch die vielen neuen Leute und unzählige inter­es­sante Bücher in der Bibliothek.

… beson­deren Eindrü­cken, die sie so nicht erwartet hatten:

Jonas: Wer eine gute Idee hat, sei es zur Weiter­ent­wick­lung der Schule oder ganz allgemein, der kann sie auch umsetzen. Ganz zu Anfang war da ein kleiner Raum, der komplett leer war. Mittler­weile ist daraus ein kleines Kaffee geworden mit Tischen, Klavier und Gitarre, die die Leute mitge­bracht haben. Auch was das Buchungs­system für die 200 iMacs der Schule angeht, haben wir gesagt: Wir schreiben das besser – und das haben wir getan.

… ihren Plänen für die Zukunft:

Jonas: Mit meinen Program­mier­fä­hig­keiten und dem Maschi­nenbau-Studium glaube ich, dass ich für die meisten Unter­nehmen ein Gewinn wäre. Ich muss nicht unbedingt Autos bauen oder in die Luft- und Raumfahrt gehen, habe also keine ausge­prägte Bindung zu einem bestimmten Thema. Am wichtigsten ist es mir, dass ich ein gutes Team um mich herum habe und sicher sein kann: Die Arbeit macht mir Spaß.

Tim: Ich finde es inter­es­sant, etwas Grafi­sches zu machen. Deswegen würde ich gerne für die Spiele­indus­trie arbeiten und große, komplexe Systeme mitent­wi­ckeln. Augmented (erwei­terte) und Virtual Reality sind im Kommen, das geht in meine Richtung. Das Gute ist, dass ich mir auf diesem Weg die Möglich­keit offen­lasse, in die Selbst­stän­dig­keit zu gehen. Wenn ich eine coole Spielidee habe, zum Beispiel für ein kleines Handy- oder Indie-Game, dann kann ich es entwi­ckeln und in den App-Store hochladen.

* Piscine bedeutet auf Deutsch ‚Schwimmbad‘, vierwö­chiges Auswahl­ver­fahren vor der endgül­tigen Zulassung zum 42Wolfs­burg-Programm; Anm. d. Red

Stefan Boysen

Beitrags­bild: Front­an­sicht 42Wolfsburg ©42Wolfsburg

DEIN WOLFSBURG, Ausgabe 15, Sommer 2022

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