Seit rund 14 Jahren kämpfen die Ehrenamtlichen der Tierhilfe Wolfsburg gegen das Leid von hilfsbedürftigen Tieren. Und gehen dabei oft über das Menschenmögliche hinaus.
Die Tierhilfe Wolfsburg hat aktuell rund 100 Mitglieder, davon engagieren sich etwa 25 Aktive regelmäßig in unterschiedlicher Weise für das Wohl von Tieren. Eine von ihnen ist Jana, die vor anderthalb Jahren bei sich zu Hause eine Pflegestelle für Katzen eingerichtet hat. Seitdem hat sich ihr Alltag radikal verändert, und man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn sie ihr pralles Programm an einem typischen Werktag beschreibt: Um fünf Uhr morgens steht Jana auf und versorgt die Katzen, die sie bei sich zur Pflege hat. Aktuell fünf erwachsene und 14 kleine Katzen.
Darunter Akira, die wegen einer Behinderung der Hinterbeine drei bis vier Mal täglich bis zu 15 Minuten physiotherapeutische Übungen benötigt. Nach dem Säubern der Toiletten und Fressnäpfe, Füttern, Streicheln und Medikamente verabreichen, geht Jana mit ihren beiden Hunden Gassi, um sich dann für ihre eigentliche Arbeit als Kfz-Mechatronikerin fertig zu machen. Idealerweise ist ihre Arbeitsstelle gleich nebenan, sodass sie in der Frühstücks- und Mittagspause jeweils schnell nach Hause gehen kann, um die Tiere wieder zu versorgen: füttern, Toiletten säubern und Medikamente verabreichen. Nach dem Feierabend geht es von der Arbeit erstmal zu einem nahegelegenen Bauernhof, wo sie sich zusätzlich um die dort freilebenden Katzen kümmert. Bis Jana ins Bett kommt, ist es oft schon 0:30 Uhr.
Der Aufwand wird sogar noch größer bei Kätzchen ohne Mutter: Dann heißt es, auch in der Nacht alle zwei Stunden Fläschchen geben. Das gleiche Programm steht natürlich auch an den Wochenenden an, wo die Zeit zum Beispiel noch für Tierarztbesuche genutzt werden muss. Eine weitere wichtige Aufgabe ist das mitunter aufwendige Einfangen streunender Katzen, um diese kastrieren und bei Bedarf medizinisch versorgen zu lassen. Und letztlich nimmt auch die Vermittlung der Katzen an neue Besitzer viel Zeit in Anspruch. Urlaub mit Verreisen in andere Länder oder Städte gibt es für sie nicht, denn die Tiere müssen ja schließlich permanent versorgt werden.
Janas Einsatz für die Tiere ist einzigartig, aber zum Glück ist ihr hoher Einsatz kein Einzelfall. Bei allen acht Pflegestellen der Tierhilfe Wolfsburg wird viel Zeit und Energie in das Tierwohl investiert. So ist es auch bei Jennifer. 25 bis 30 Katzen pflegt sie regelmäßig bei sich zu Hause. Die tiermedizinische Fachangestellte hat sich im Fernstudium zur Beraterin für Tierernährung und ‑haltung sowie Tierpsychologin weitergebildet und ist bei der Tierhilfe Wolfsburg die Anlaufstelle für Härtefälle. „Zu mir kommen die Tiere, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen eine besondere Betreuung benötigen, um dem Tod von der Schippe zu springen“, sagt Jennifer. Das klappt nicht immer. „Wenn so ein Kitten dann trotz aller Anstrengungen stirbt, nimmt mich das sehr mit.“ Das weiß auch Jana zu berichten: „Im vergangenen Jahr sind mir innerhalb kürzester Zeit 15 vorerkrankte Kätzchen weggestorben. Als das fünfzehnte starb, konnte ich nicht mehr und habe nur noch geweint.“
Ulrike musste auch lernen, mit dem Tod der Tiere umzugehen, seitdem sie 2018 eine Pflegestelle bei sich eingerichtet hat und im Schnitt 35 bis 40 Katzen pro Jahr versorgt. So manches Mal komme sie dabei an die Grenzen ihrer Kraft. Insbesondere wenn wieder ein Tier aufgrund der Vorerkrankungen oder Verletzungen verstirbt. „Sie sind wie Familienmitglieder. Aber aufgeben ist keine Option. Ich rette zwar nicht die Welt, aber das Leben einiger Tiere. Das ist besser als nichts zu tun“, sagt Ulrike, die neben der Pflege der Katzen versucht, über Flohmärkte und Online-Versteigerungen Geld für die Tierhilfe einzusammeln, damit Futter, Tierarztkosten, Medikamente etc. bezahlt werden können.
Bemerkenswert ist, dass die drei Tierschützerinnen im Gespräch kein großes Aufheben um ihre viele Arbeit machen. Stattdessen sorgen sie sich sogar, es könnte durch diesen Magazinbeitrag so wirken, dass sie von sich selbst denken, sie seien etwas Besseres. Dabei ist ihr Einsatz wohl kaum genug zu würdigen. Zumal sie leider auch negative Reaktionen bekommen, wie Jana berichtet: „Wenn die Katzen Durchfall haben, riecht es auch einmal bei mir zu Hause. Das ekelt manch einen.“ Auch ist ihr Freundeskreis kleiner geworden, weil nicht jeder Verständnis dafür hat, dass sie beim Grillen oder anderen Treffen nach zwei Stunden wieder los muss, um die Tiere zu versorgen.
Jennifer hat schon zu hören bekommen: „Wo ist denn dein Leben hin?“ Trotzdem hält sie weiter durch. „Wenn mich diese knopfgroßen Augen der Tiere anschauen, muss ich einfach helfen.“ Ulrike meint dazu, dass das Gefühl, wenn man es geschafft hat, dass eine verängstigte, scheue oder sogar misshandelte Katze wieder Vertrauen schenkt, und sie sich dann sogar streicheln lässt und dabei schnurrt, der Lohn für alle Mühe ist. „Aus diesen Momenten ziehe ich meine Kraft. Und wenn ich per Fotos oder Videos sehe, dass es meinen vermittelten Tieren in ihrem neuen Zuhause gut geht, weiß ich, dass unsere Arbeit wichtig und richtig ist.“
Tobias Kuske
Illustration freepik.com
Helfende Hände gesucht
Die Tierhilfe Wolfsburg sucht Freiwillige für vielfältige Tätigkeiten: Einfangen von Streunern nach Anleitung und Absprache mit der Tierhilfe; Schalten von Inseraten zur Tiervermittlung; Pflegen von Katzen bei sich zu Hause, bis sie vermittelt werden können; Zuarbeit für Pflegestellen durch Beschaffen von Futter oder Tierzubehör; Tierarztbesuche; Streicheln und Spielen mit Katzen in den Pflegestellen; Spenden einsammeln. Interessierte können sich über das Kontaktformular auf tierhilfe-wolfsburg.de melden.